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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher
Autoren: Michael Connelly
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Handy begann zu summen, und er schaute auf das Display. Die Rufnummer war unterdrückt, aber er ging dran. Es war der Polizeichef. Bosch kannte ihn schon lange und hatte sogar bei einigen Ermittlungsverfahren mit ihm zusammengearbeitet. Der Chief hatte sich von unten hochgedient und war unter anderem lange als Ermittler und Supervisor bei der Abteilung Diebstahl und Tötungsdelikte tätig gewesen. Er war erst zwei Jahre Polizeichef und hatte die Truppe noch auf seiner Seite. Aber die Streichung bezahlter Überstunden und andere budgetbedingte Maßnahmen, wie der kontinuierliche Personalabbau, sorgten an der Basis für Unmut. Der Chief war an einem kritischen Punkt. Wenn er den Rückhalt der Truppe verlor, verlor er die Chance, der Polizei seinen Stempel aufzudrücken.
    »Harry, hier Marty. Wo bist du gerade?«
    »Auf dem Eins-null-eins. Wir sind sofort los, als ich es erfahren habe.«
    »Ich will das unbedingt geklärt haben, bevor die Medien Wind davon bekommen, was nicht mehr lang dauern kann. Kein Grund, noch mehr Kriegsschauplätze zu eröffnen. Wie du sicher bereits weißt, ist das Opfer der Sohn von Stadtrat Irving. Irving hat darauf bestanden, dass du die Ermittlungen leitest.«
    »Warum?«
    »Seine Gründe hat er mir nicht genannt. Ich weiß, dass ihr euch ein paarmal in die Wolle gekriegt habt.«
    »Allerdings. Was kannst du mir über den Fall erzählen?«
    »Nicht sehr viel.«
    Er gab Bosch die gleiche Zusammenfassung, die Rider ihm gegeben hatte, nur mit ein paar zusätzlichen Details.
    »Wer ist aus Hollywood dort?«
    »Glanville und Solomon.«
    Bosch kannte die zwei Ermittler von früheren Fällen und Sondereinheiten. Beide waren für ihre breite Statur und ihr ausgewachsenes Ego bekannt. Sie wurden Fass und Kiste genannt und fanden das gut. Sie kleideten sich auffällig und trugen dicke Ringe. Und Boschs Kenntnis nach waren sie kompetente Ermittler. Wenn sie den Fall als Selbstmord einstuften, lagen sie höchstwahrscheinlich richtig.
    »Sie werden unter deiner Leitung weitermachen«, sagte der Chief. »Das habe ich ihnen persönlich zu verstehen gegeben.«
    »Okay, Chief.«
    »Harry, ich erwarte, dass du dich voll reinhängst. Deine Vorgeschichte ist mir da herzlich egal. Vergiss sie am besten. Wir können es uns nicht leisten, dass der Stadtrat hinterher sagt, wir hätten keinen vollen Einsatz gezeigt.«
    »Alles klar.«
    Bosch blieb eine Weile still und überlegte, was er noch fragen könnte.
    »Wo ist übrigens der Stadtrat, Chief?«
    »Unten im Foyer.«
    »War er im Zimmer?«
    »Darauf hat er bestanden. Ich habe ihm erlaubt, sich dort umzusehen, solange er nichts anfasst, und dann haben wir ihn sofort wieder rausgeführt.«
    »Das hättest du nicht tun sollen, Marty.«
    Bosch wusste, es war nicht ganz ungefährlich, dem Polizeichef zu sagen, dass er etwas falsch gemacht hatte. Da tat es auch nichts zur Sache, dass sie mal gemeinsam Leichen auf den Rücken gedreht hatten.
    »Aber wahrscheinlich hattest du keine andere Wahl«, fügte er hinzu.
    »Sieh einfach zu, dass du möglichst schnell herkommst, und gib mir Bescheid, wenn du da bist. Falls du mich nicht direkt erreichst, wendest du dich am besten an Lieutenant Rider.«
    Aber seine unterdrückte Handynummer rückte er nicht heraus. Damit war für Bosch der Fall klar. Er würde mit seinem alten Kumpel, dem Polizeichef, nicht mehr länger auf direktem Weg kommunizieren. Nicht klar war dagegen, wie der Chief die Ermittlungen von ihm geführt haben wollte.
    »Chief«, sagte er deshalb ganz förmlich, um klarzustellen, dass er nicht auf alte Verbindlichkeiten zurückgreifen wollte. »Wenn ich da jetzt raufgehe und es ist ein Selbstmord, werde ich es auch als Selbstmord einstufen. Wenn du was anderes willst, musst du dir jemand anders suchen.«
    »Nein, nein, schon gut, Harry. Du machst es so, wie du es für richtig hältst. Egal, was dabei herauskommt.«
    »Bist du da sicher? Ist das auch, was Irving will?«
    »Es ist, was ich will.«
    »Verstehe.«
    »Hat dir Duvall übrigens schon wegen des Verlängerungsantrags Bescheid gesagt?«
    »Ja, hat sie.«
    »Ich habe für die vollen fünf Jahre plädiert, aber in der Kommission gibt es ein paar Leute, denen in deiner Personalakte nicht alles gefallen hat. Wir haben so viel rausgeholt wie möglich, Harry.«
    »Danke.«
    »Keine Ursache.«
    Der Chief beendete das Gespräch. Bosch hatte kaum sein Handy eingesteckt, als Chu ihn bereits mit Fragen bombardierte. Bosch schilderte ihm den Inhalt des Telefonats,
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