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Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)

Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Stephen Leather
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umwandte. Als sich die Gestalt langsam aufrichtete und dabei ganz umdrehte, sah ich ihr Gesicht. Terry. Sie trug eine schwarze Motorradjacke, deren Reißverschluss bis zum Hals hochgezogen war, diagonale Metallreißverschlüsse markierten die Taschen. Sie lächelte mich an und legte die rechte Hand auf ihren Mund. Auf ihrer rechten Wange war irgendetwas Nasses, das glänzte, als sie sich bewegte, und ihre Finger berührten es, rieben es, und dann führte sie ihre Finger an die Lippen. Langsam und genüsslich leckte sie sich die Finger mit der Zungenspitze ab, einen nach dem anderen. Ich konnte mich nicht von ihrem Anblick losreißen, und sie lächelte, als ob sie wüsste, dass ich ihr ins Netz gegangen war. In ihrer Macht stand. Total.
    »Ich wusste, dass du kommen würdest«, sagte sie und trat einen Schritt näher. Zum ersten Mal konnte ich den Kopf des Mannes sehen, der da am Boden lag. Sein Mund stand weit offen, als ob er zu schreien versucht hätte, aber ich zweifelte, dass er auch nur einen Laut hätte herausbringen können, denn seine Kehle war furchtbar zerfleischt worden, wie mit einem stumpfen Messer. Oder mit Zähnen. Anscheinend war er tot, die Augen leer und leblos, aber in der Kuhle an seinem Hals sammelte sich Blut, und es sprudelte und schäumte, als versuche er, durch den Rest seiner Luftröhre zu atmen.
    »Sieh mich an, Jamie«, flüsterte sie und ich gehorchte ihr unwillkürlich. »Vergiss ihn. Er hat nichts zu bedeuten.« Sie leckte sich wieder die Finger und dann streckte sie sie aus und drückte sie an meine Lippen.Sie schmeckten salzig und leicht metallisch. Sie stand auf, sodass ihre Jacke meine Brust streifte. Bis zu diesem Augenblick hatte ich gar nicht wahrgenommen, wieklein sie war. Ihr Kopf reichte mir gerade eben bis zum Kinn, und sie musste ihn zurücklegen, um mein Gesicht zu sehen, wobei ihre Haut straff über die Wangenknochen gezogen wurde und sie unglaublich jung wirken ließ, wie ein Kind mit einem verschmierten Gesicht. »Du musst dich mir hingeben wollen, Jamie. Du musst das aus tiefstem Herzen wollen, mit ganzer Seele. So funktioniert das. Du musst dich selbst opfern. Das ist das Mindeste. Verstehst du?«
    Ich nickte, das Herz klopfte mir bis zum Hals. Sie schob mir ihren Mittelfinger zwischen die Lippen und rieb ihn sanft über meine Zähne, als wolle sie mich provozieren zuzubeißen.
    Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, legte den Kopf schief und drückte ihre Lippen auf meinen Hals, unmittelbar unter mein linkes Ohr, wo ich eine Ader im Rhythmus meines Herzens schlagen hörte. Sie küsste mich sanft, und ich spürte ihre Zunge, die meine Haut abtastete. Sie fühlte sich rau an, wie die einer Katze, nicht wie die Zunge eines jungen Mädchens. Dann legte sie den Kopf in den Nacken, als ob sie auf etwas wartete. »Das erste Mal, da tuts noch weh …«, sagte sie und bei jedem Wort spürte ich ihren Atem. Und dann schlug sie ihre scharfen Zähne in meinen Hals wie ein Gepard beim Todesbiss.
    Unwillkürlich zuckte mein Kopf zurück und ich schlug die Augen auf; ich war in meinem Schlafzimmer, meine Beine hatten sich in der Decke verfangen, die Kissen lagen auf dem Fußboden verstreut. Ich war schweißgebadet, aber mein Mund war ausgedörrt und das Schlucken mühsam. Ich wankte ins Bad und goss mir ein Glas Wasser ein. Ich nahm den Mund voll, spülte ihn gründlich aus und spie das Wasser ins Waschbecken.Ich knipste das Licht über dem Badezimmerspiegel ein und betrachtete mein Spiegelbild. Verschlafene Augen starrten mich an, tiefliegend und sorgenvoll, das Weiß von roten Äderchen durchzogen, die Pupillen geweitet, als hätte ich irgendwas genommen. Hatte ich aber nicht. Ich öffnete den Mund weit und zog die Haut auf meinem Gesicht straff. Es ließ mich jünger aussehen. Ich entspannte mich und die Falten und die Jahre kamen zurück. Fünfunddreißig Jahre und im Sauseschritt auf fünfzig zu.
    Ich bewegte den Kopf hin und her und erwartete fast, Bissmale zu sehen, aber die Haut war makellos. Ich rieb mir das Kinn, fühlte die wachsenden Stoppeln. Ich konnte mich erinnern, wie ich mir nur den Apparat meines Vaters borgen musste, um den Flaum über der Oberlippe zu rasieren, zuerst etwa einmal im Monat, dann zweimal die Woche, dann einmal und zum Schluss täglich. Aber erst in den letzten Jahren sprossen die Stoppeln mitten in der Nacht. Ein Anzeichen für das Erwachsensein, denke ich mal. Eine Alterserscheinung. Wenn ich jetzt abends weggehen wollte, wirkte ich ungepflegt,
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