Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Titel: Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen
Autoren: Elke Heidenreich
Vom Netzwerk:
aufgeregt, als wäre irgend etwas passiert, aber sie beide nahmen keine Notiz davon, bestellten sich zum Abschied Champagner, und Heinrich hatte plötzlich wieder einen seiner berühmten sinnlosen Sprüche auf Lager. Er sagte: »Ich hatte schon Angst, daß ich jetzt zum alten Eisen gehöre. Aber Angst allein macht schließlich auch nicht glücklich, was?« Und als sie dann sah, wie er ein paar Tische weiter eine etwas aufgedonnerte Blondine entdeckte und aus der Ferne so ein bißchen mit ihr flirtete, da wußte Franziska: sie hatte ihn dem Leben zurückgegeben. Dem Leben, den Frauen, der Liebe. Sie war zufrieden.
    Am nächsten Tag packten sie ihre Sachen zusammen. Sie lieferte ihn mit dem Taxi bei seiner Wohnung ab, ehe sie zum Bahnhof weiterfuhr.
    »Warten Sie einen Moment«, sagte sie wieder zum Taxifahrer und stieg aus. Vor der Haustür umarmten sie sich. »Danke«, sagte Heinrich, und Franziska sagte: »Wofür? Mit Dank zurück. Wir sind quitt.«
    »Gibst du mir deine Telefonnummer?« fragte er, und sie schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie, »außer, du brauchst sie dringend, weil du wieder das neue Telefonbuch schreibst.«
    Sie lachten beide und küßten sich ein letztes Mal, Franziska wußte, daß es wirklich das letzte Mal war.
    Dann stieg sie in ihr Taxi, sagte: »Zum Bahnhof!« und sah sich nicht mehr nach Heinrich um, der vor seiner Haustür stand, die Tüte mit dem Anzug in der Hand, und ihr nachwinkte, ein alter, aber aufrechter und selbstbewußter, ein immer noch schöner Mann. Er glitzerte wieder, wie Franziska das nannte.
    Am Bahnhof kaufte sich Franziska eine Zeitung und las, als sie in ihrem Erste-Klasse-Abteil saß, daß in diesen Tagen, in denen sie mit Heinrich so glücklich und so beschäftigt im Bett gelegen hatte, daß in diesen Tagen vom sechsten bis zum elften November 1989 die Berliner Mauer gefallen war.
    Sie hatten nichts davon bemerkt.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher