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Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Titel: Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen
Autoren: Elke Heidenreich
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die Nägel, legte sich die Haare, sie versuchte, in einer Nacht schön zu werden. Am Morgen trug sie fahrig und eilig die Post aus, rannte nach Hause und zog den knappsten Slip, die engsten Jeans, das schönste T-Shirt an. Es war ein sonniger Tag, goldener Oktober, und sie zog den Slip wieder aus und trug nur Jeans, T-Shirt und weiße Turnschuhe an den nackten Füßen. Sie saß am Fenster und wartete.
    Er kam in einem silbergrauen VW, und er hupte. Sie konnte sich nicht rühren, sie konnte einfach nicht. Schließlich stand sie auf, ging zum Spiegel über dem Waschbecken und sah ihr Mädchengesicht an: so fiebrig, so hungrig.
    Sie ging zurück zum Fenster, er lehnte am Auto und zündete sich gerade eine Zigarette an, und sie dachte einfach nur: Ja.
    Sie flog die Treppe hinunter, versuchte, lässig auf ihn zuzuschlendern mit ihrer kleinen Reisetasche und sagte: »Hallo.«
    Sie sahen sich beide prüfend an. Es war doch alles ziemlich schnell gegangen, und sie schätzten sich ab. Sie schätzten sich ab und waren zufrieden, beide. Sie nahm wieder einen Zug aus seiner Zigarette, er warf die Tasche auf den Rücksitz, sie stiegen ein und fuhren los.
    »Heinrich«, sagte sie, »ich habe ein Geheimnis, aber das erzähle ich dir erst heute abend.« »Ich liebe Geheimnisse von Frauen«, sagte er, »was ist es, bist du etwa verheiratet, kleine Studentin?«
    »Es ist was – Erotisches«, sagte Franka, und er lachte.
    »Solche Geheimnisse liebe ich noch viel mehr«, sagte er, und er lenkte mit der linken Hand und legte die rechte in ihren Schoß.
    Sie fuhren über wenig befahrene Landstraßen durch grünes Wiesenland, die Kühe weideten, die Sonne schien, die Luft flirrte, und das Laub hing gerade noch golden an den Bäumen, bereit, sich zu lösen, wie Frankas Herz. Franka war, wie Madame Bovary am Beginn ihrer Ehe, gewillt, sich nach allen Theorien, die sie kannte, jetzt unbedingt in eine schöne Liebesstimmung zu versetzen.
    Heinrich erzählte vom Fliegerhorst und machte dumme Sprüche: »Piloten, ihr seid ein herrliches Land, aber der Schwarzwald ist die schönste Jahreszeit!« blödelte er, und sie erzählte vom Volkskundeseminar, wo sie ein Referat über Brötchenformen hatte halten müssen, und ob er wisse, daß das Brötchen der weiblichen Scheide nachgebildet sei? Fast konnte er vor lauter Lachen nicht mehr fahren. Sie lachten über die dämlichen Soldaten und die noch blöderen Studenten, und Franka fühlte sich frei, glücklich und schön und dachte: In ein paar Stunden habe ich es endlich hinter mir, und der hier, der wird es richtig machen.
    Sie nahmen ein Doppelzimmer in einem alten Gasthof. Es gab zwei Betten mit einer Ritze in der Mitte, und die Betten waren blütenweiß bezogen. Das Zimmer lag unterm Dach und ging auf einen kleinen Platz hinaus, auf dem ein Brunnen rauschte. Franka öffnete weit das Fenster und legte sich mit ausgebreiteten Armen, wie gekreuzigt, auf eines der Betten. Heinrich ging ins Bad, pinkelte, wusch sich, prustete unterm kalten Wasser und zog den Reißverschluß seiner Jeans erst zu, als er schon zurück ins Zimmer kam. Fast alle Männer machten das, sogar wenn sie in Restaurants von der Toilette zurückkamen. Franka hatte es oft beobachtet und abscheulich gefunden, aber bei Heinrich fand sie es aufreizend. Sein Oberkörper war nackt, und er hatte keine Haare auf der Brust wie Albert Mattes aus der Neukircher Straße. Franka hatte bei jedem Mann, den sie kennenlernte, zuerst unauffällig herauszufinden versucht, ob er Haare auf der Brust hatte, und wenn ja, dann ging gleich gar nichts. Bei Heinrich hatte sie vorausgesetzt, daß alles perfekt sein würde. Es war alles perfekt.
    Heinrich sah sie an und spürte ihre Bereitschaft. Er hatte genug Frauen gehabt, um diesen speziellen Geruch der Lust sofort zu wittern. Er zog Franka die Turnschuhe aus, ohne die Bänder aufzuknoten, er zog ihr die Jeans von den Beinen, streifte ihr T-Shirt hoch.
    »Oh«, murmelte er heiser, »keine Wäsche.« Und dann: »Schöner Busen.«
    Er küßte ihre Brüste, zog seine Jeans aus, und Franka schlang Arme und Beine um ihn und flüsterte: »Heinrich, mein Geheimnis ist: du bist der erste.«
    Er lag schwer auf ihr. Sein hartes Glied erschlaffte.
    »Scheiße«, sagte er.
    Dann hob er den Kopf, sah sie an, und sie mußten lachen, umarmten sich, kugelten auf den Betten herum, und er rief: »Das darf doch nicht wahr sein, wie alt bist du? Neunzehn? Was zum Teufel hast du all die Jahre getrieben? Und warum tust du dann
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