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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter
Autoren: Bernard Cornwell
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Rabenbanner und seine Streitaxt, an der noch Blut klebte, vor die Füße legen sollen. Ich hätte dem König die gute Nachricht
     bringen sollen, dass die Dänen vernichtend geschlagen und die wenigen, die überlebt hatten, auf ihren Drachenschiffen |16| geflohen waren, dass Wessex gerettet und dass ich es war, Uhtred von Bebbanburg, der diesen großen Sieg errungen hatte.
    Stattdessen aber machte ich mich auf den Weg zu Frau und Kind.
    Jung wie ich war, wollte ich lieber Mildrith pflügen als den Lohn für meine Taten einfordern. Das war ein Fehler, doch wenn
     ich zurückschaue, bedauere ich es eigentlich nicht. Das Schicksal ist unerbittlich, und Mildrith zu pflügen, die ich nicht
     hatte heiraten wollen und die ich eines Tages hassen sollte, war mir damals eine allzu große Verlockung.
    Es war ein Samstag in jenem späten Frühjahr 877, an dem ich, statt Alfred aufzusuchen, nach Cridianton ritt. Ich nahm zwanzig
     Männer mit und versprach Leofric, gegen Sonntagmittag in Exanceaster einzutreffen, um Alfred wissen zu lassen, dass wir die
     Schlacht gewonnen und sein Königreich gerettet hatten.
    «Der junge Odda wird schon dort sein», warnte mich Leofric. Leofric war doppelt so alt wie ich, ein in zahllosen Kämpfen gegen
     die Dänen gestählter Krieger. «Hast du mich verstanden?», fragte er, weil ich nichts sagte. «Der junge Odda wird schon dort
     sein», wiederholte er. «Er ist ein Stück Gänseschiss und wird dem König weismachen, dass ihm der Sieg zu verdanken sei.»
    «Die Wahrheit kommt immer an den Tag», entgegnete ich hochmütig.
    Leofric lachte bloß darüber. Er war ein bärtiges, gedrungenes Raubein, dem eigentlich der Oberbefehl über Alfreds Flotte zustand.
     Doch weil er von niederer Geburt war, hatte Alfred wider Willen beschieden, dass ich seine zwölf Schiffe kommandieren sollte,
     denn ich war ein Aldermann, ein Adelsspross, und es gehörte sich so, dass |17| ein Hochwohlgeborener die westsächsische Flotte anführte, auch wenn sie viel zu kümmerlich war, um der Übermacht der dänischen
     Schiffe, die vor Wessex’ Südküste aufgekreuzt waren, Widerstand zu leisten. «Du bist und bleibst ein Earsling», grummelte
     Leofric. Ein Earsling war ein dampfender Haufen, den ein Tier gemacht hatte, und Leofric hatte für diese Beleidigung eine
     besondere Vorliebe. Wir waren Freunde.
    «Wir werden morgen bei Alfred vorsprechen», sagte ich.
    «Und Odda geht schon heute zu ihm», erwiderte Leofric geduldig.
    Odda der Jüngere war der Sohn Oddas des Älteren, der meiner Frau Obdach geboten hatte. Der Jüngere mochte mich nicht, hatte
     er doch selbst darauf gehofft, Mildrith zu pflügen. Außerdem war er, genau wie Leofric sagte, ein Stück Gänseschiss, schmierig
     und glitschig, weshalb die Abneigung auf Gegenseitigkeit beruhte.
    «Wir werden morgen bei Alfred vorsprechen», wiederholte ich. Und so ritten wir am nächsten Morgen nach Exanceaster, zusammen
     mit Mildrith, unserem Sohn und seiner Amme. Wir fanden Alfred im Norden der Stadt, wo sein grün-weißes Banner über den Zelten
     wehte, inmitten von anderen Fahnen, einer bunten Vielzahl von Insignien mit Tieren, Kreuzen, Heiligen und Waffen, die davon
     kündeten, dass sich die großen Männer von Wessex um ihren König geschart hatten. Auf einem dieser Banner prangte ein schwarzer
     Hirsch, was Leofrics Voraussage bestätigte: Odda der Jüngere war schon in Defnascir zugegen. Zwischen dem Südrand des Lagers
     und den Stadtmauern befand sich ein großer Pavillon aus Segeltuch, das über Stangen gespannt war. Ich ahnte, dass Alfred,
     statt gegen Guthrum zu kämpfen, mit ihm Gespräche eingeleitet |18| hatte. Und tatsächlich liefen Verhandlungen über die Bedingungen einer Waffenruhe – jedoch nicht an diesem Tag, denn es war
     ein Sonntag, und wenn es sich vermeiden ließ, arbeitete Alfred sonntags nie. Ich fand ihn, auf den Knien liegend, in einer
     provisorischen, aus Zeltplanen errichteten Kapelle, umgeben von seinen Edelmännern und Thegn, von denen einige die Köpfe drehten,
     als sie die stampfenden Hufe unserer Pferde hörten. Zu ihnen zählte auch Odda der Jüngere, und ich sah, dass ihm bei meinem
     Anblick angst und bange wurde.
    Der Bischof, der den Gottesdienst abhielt, machte eine Pause, um auf eine Antwort seiner Gemeinde zu warten. Odda nahm die
     Gelegenheit wahr und blickte wieder nach vorn. Er kniete unmittelbar neben Alfred, was darauf hindeutete, dass er sich der
     besonderen Gunst des Königs erfreute. Ich
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