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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter
Autoren: Bernard Cornwell
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ich wusste, keinen Gefallen schuldete. Ich war ihm trotzdem
     dankbar, zog das verfluchte Büßerhemd an und ging, von Alfreds Neffen begleitet, meiner Demütigung entgegen.
     
    |29| Ich bedeutete dem König wenig. Ihm dienten in Wessex Dutzende hoher Herren, und jenseits der Grenze, in Mercien, das von den
     Dänen beherrscht wurde, hielten sich viele andere Herren und Thegn für ihn bereit. All diese großen Männer konnten ihm Soldaten
     stellen, sie mit Schwertern und Speeren zum Kampf unter dem Drachenbanner von Wessex aufrüsten. Ich dagegen hatte ihm nichts
     weiter als mein eigenes Schwert zu bieten. Zwar war auch ich ein Edelmann, aber allzu weit von Northumbrien, meinem angestammten
     Land, entfernt. Ich hatte keine eigenen Krieger, und so konnte ich ihm allenfalls in Zukunft nützlich sein. Doch das durchschaute
     ich damals noch nicht. Mein Wert stieg, als Wessex seinen Einfluss nach Norden hin ausweitete, doch damals, im Jahre 877,
     war ich bloß ein zorniger junger Mann, der nur seine eigenen Ziele im Sinn hatte.
    Man lehrte mich Demut. Noch heute, ein Lebensalter später, erinnere ich mich genau daran, wie bitter mir diese kriecherische
     Bußübung aufstieß. Warum zwang mich Alfred dazu? Ich hatte einen großen Sieg für ihn errungen, doch er bestand darauf, mich
     zu beschämen. Und wofür? Weil ich eine Messe gestört hatte? Daran lag es zum Teil, aber eben nur zum Teil. Er liebte seinen
     Gott und die Kirche und war leidenschaftlich überzeugt davon, dass Wessex’ Heil im Gehorsam gegenüber der Kirche lag. Darum
     schützte er die Kirche mit derselben Entschlossenheit, mit der er auch um sein Land kämpfte. Außerdem war er ein ordnungsliebender
     Mensch. Für ihn hatte alles am rechten Platz zu sein, und ich passte nirgends hinein, und er glaubte, dass ich erst dann meinen
     Platz in dieser hochheiligen Ordnung finden würde, wenn ich mich zu seinem Gott bekannt hatte. Vorläufig betrachtete er mich
     als einen widerspenstigen jungen Hund, der geprügelt |30| werden musste, bis er sich endlich der gefügigen Meute anpasste.
    Darum ließ er mich zu Kreuze kriechen.
    Und Æthelwold machte sich selbst zum Narren.
    Aber das passierte erst später. Zuerst ging alles sehr feierlich zu. Alfreds Leibgarde war vollzählig angetreten, um zuzuschauen.
     Sie bildete zwei lange Reihen vor dem mit einem Segeltuch überdachten Altar, hinter dem Alfred und seine Gemahlin, der Bischof
     und etliche Priester Aufstellung genommen hatten. «Auf die Knie!», verlangte Wulfhere von mir. «Du musst auf die Knie, und
     dann rutschst du bis zum Altar, küsst die Altardecke und legst dich flach auf den Boden.»
    «Und was dann?»
    «Dann werden dir Gott und der König vergeben», antwortete er und wartete. «Mach’s einfach», zischte er schließlich.
    Also tat ich es. Ich ging auf die Knie und rutschte unter den Augen der stummen Zuschauer durch den Matsch. Dann fing Æthelwold
     dicht neben mir laut heulend an, sich der Sünde zu bezichtigen. Händeringend warf er sich immer wieder der Länge nach auf
     den Boden und schluchzte, dass er bereue, und kreischte, dass er ein Sünder sei. Zuerst reagierte die Menge peinlich berührt,
     dann war verhaltenes Kichern zu hören. «Ich habe Frauen beigewohnt», brüllte Æthelwold in den strömenden Regen hinein, «und
     es waren schlechte Frauen! Vergebung!»
    Alfred war sichtlich erzürnt, doch er konnte niemanden daran hindern, sich vor Gott lächerlich zu machen. Oder glaubte er,
     dass Æthelwolds Reue aufrichtig war? «Es waren so viele Frauen, dass ich mit dem Zählen nicht mehr nachgekommen bin», jammerte
     Æthelwold und schlug seine Faust in den Schlamm. «O Gott, ich bin verrückt |31| nach dicken Brüsten. Ich sehne mich nach nackten Frauen, o Gott, vergib mir!» Das Gelächter griff um sich, und alle Anwesenden
     mussten sich daran erinnern, dass auch Alfred, bevor ihn die Frömmigkeit ergriffen hatte, ein berüchtigter Schürzenjäger gewesen
     war. «Hilf mir, Gott!», flehte Æthelwold, während wir unseren Bußweg weiter entlangrutschten. «Schick mir einen Engel!»
    «Damit Ihr ihn bumsen könnt?», tönte eine Stimme aus der Menge, und alles brüllte vor Lachen.
    Ælswith eilte davon, um nicht noch mehr Unschickliches hören zu müssen. Die Priester tuschelten miteinander, doch Æthelwolds
     Buße, so ungewöhnlich sie auch sein mochte, schien echt. Er weinte. Mir war klar, dass er insgeheim feixte, aber er heulte,
     als erlitte er schreckliche
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