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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter
Autoren: Bernard Cornwell
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zieht es vor zu glauben, dass Odda den Sieg erst möglich gemacht und Ubba gemeinsam mit dir bezwungen hat. Im Grunde kann
     es ihm ja auch egal sein, wer ihm den Todesstoß versetzte. Hauptsache, Ubba ist tot. Und diese gute Nachricht hat nun einmal
     Odda übermittelt, und deshalb kann er seinen Wanst jetzt in Alfreds Gunst sonnen. Aber falls du unbedingt von den königlichen
     Truppen aufgeknüpft werden möchtest, musst du dich nur mit Odda anlegen. Hast du mich verstanden?»
    «Ja.»
    Wulfhere seufzte. «Dann scheint also zu stimmen, was Leofric gesagt hat, nämlich dass du am Ende schon noch Verstand annehmen
     würdest, wenn ich ihn dir nur lange genug in deinen verdammten Dickschädel einprügele.»
    «Ich möchte mit Leofric sprechen», sagte ich.
    «Das geht nicht», entgegnete Wulfhere scharf. «Er wurde nach Hamtun zurückgeschickt, wohin er schließlich auch gehört. Aber
     du bleibst hier. Die Flotte wird unter ein anderes Oberkommando gestellt. Du musst büßen.»
    Ich glaubte, nicht richtig gehört zu haben. «Was muss ich?», fragte ich.
    «Kriechen», antwortete Æthelwold; es war sein erstes Wort überhaupt. Er grinste mich an. Wir waren zwar nicht das, was man
     Freunde nennen könnte, hatten aber schon |27| häufig miteinander gezecht, und anscheinend mochte er mich. «Du wirst dich wie ein Mädchen anziehen», fuhr er fort, «auf die
     Knie gehen und gedemütigt werden.»
    «Und zwar jetzt gleich», ergänzte Wulfhere.
    «Ich will verflucht sein, wenn ich   …»
    «Verflucht bist du so oder so», blaffte Wulfhere, riss Æthelwold das weiße Bündel aus der Hand und warf es mir vor die Füße.
     Es war ein Büßerhemd, und ich ließ es auf dem Boden liegen. «Um Himmels willen», sagte Wulfhere. «Nimm Vernunft an. Du hast
     ein Weib und Ländereien, oder? Was passiert wohl, wenn du dich dem König widersetzt? Willst du geächtet werden? Willst du,
     dass deine Frau in ein Kloster gesteckt wird? Willst du, dass sich die Kirche dein Land unter den Nagel reißt?»
    Ich starrte ihn an. «Alles was ich getan habe, war, Ubba zu töten und die Wahrheit zu sagen.»
    Wulfhere seufzte. «Du bist Northumbrier», sagte er. «Ich weiß nicht, wie es bei euch da oben zugeht, aber hier bist du in
     Alfreds Wessex. Und in Wessex ist alles erlaubt, nur eins nicht: Alfreds Kirche zu verunglimpfen. Aber genau das hast du getan,
     und dafür lässt er dich jetzt büßen.» Er verzog das Gesicht, weil der Regen nun noch heftiger auf das Zeltdach prasselte.
     Dann betrachtete er mit gerunzelter Stirn die Pfütze, die sich vor dem Eingang gebildet hatte. Nach längerem Schweigen sah
     er mir mit seltsamer Miene in die Augen. «Glaubst du, von alldem wäre irgendetwas von Bedeutung?»
    Das glaubte ich allerdings, aber seine Frage und die leise Bitterkeit in seiner Stimme erstaunten mich so sehr, dass mir keine
     Antwort einfiel.
    «Glaubst du, durch Ubbas Tod verändert sich etwas?», fragte er, und wieder war mir, als hätte ich mich verhört. «Und glaubst
     du wirklich, wir wären die Sieger, falls sich |28| Guthrum darauf einlässt, mit uns Frieden zu schließen?» Sein massiges Gesicht war plötzlich voller Grimm. «Wie lange wird
     Alfred noch König sein? Wie lange dauert es noch, bis die Dänen hier die Herrschaft übernehmen?»
    Ich wusste auch darauf nichts zu sagen. Æthelwold hörte, wie mir auffiel, sehr aufmerksam zu. Er sehnte sich auf den Thron,
     hatte aber keine Gefolgschaft. Wulfhere war verantwortlich dafür, dass Æthelwold keinen Ärger machte, deutete jedoch mit seinen
     Worten an, dass es so oder so Ärger geben werde. «Tu einfach, was Alfred von dir will», riet er mir. «Und anschließend versuche,
     am Leben zu bleiben. Das ist alles, was uns übrigbleibt, falls Wessex fallen sollte. Und jetzt zieh das verdammte Kleid an
     und bring’s hinter dich!»
    «Wir sind zu zweit», sagte Æthelwold. Er rollte das Bündel auseinander, und ich sah, dass ein zweites Gewand darin eingewickelt
     war.
    «Was soll das?», blaffte ihn Wulfhere an. «Bist du betrunken?»
    «Ich bin ein reuiger Trunkenbold. Das heißt, ich war betrunken und tue jetzt Buße dafür.» Grinsend zog er das Gewand über
     den Kopf. «Ich werde mit Uhtred vor den Altar treten», fügte er hinzu, die Stimme durch das Leinzeug gedämpft.
    Wulfhere wusste so gut wie ich, dass Æthelwold mit dem Bußritual nur seinen Spott trieb, ließ ihn aber gewähren. Außerdem
     wollte mir Æthelwold einen Gefallen tun, obwohl er mir, soweit
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