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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter
Autoren: Bernard Cornwell
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zweifelte keinen Augenblick daran, dass er ihm das Rabenbanner und Ubbas Streitaxt
     überbracht und den Sieg über die Dänen für sich beansprucht hatte. «Eines Tages», flüsterte ich Leofric zu, «schlitze ich
     den Bastard von oben bis unten auf und tanze auf seinen Gedärmen.»
    «Das hättest du schon gestern tun sollen.»
    Einer der vielen Priester aus Alfreds Gefolge zog sich, als er mich sah, auf den Knien rutschend möglichst unauffällig aus
     der ersten Reihe vor dem Altar zurück, stand auf und eilte auf mich zu. Er hatte rotes Haar und eine verkrüppelte linke Hand,
     er schielte, und auf seinem hässlichen Gesicht zeigte sich freudige Überraschung. «Uhtred!», rief er, während er auf unsere
     Pferde zulief. «Uhtred! Wir dachten, du seist tot!»
    «Ich?», sagte ich grinsend zu dem Priester. «Tot?»
    «Man hat dich doch zur Geisel genommen!»
    Richtig. Ich war eine der zwölf englischen Geiseln in |19| Werham, aber als einziger von Guthrums Männern verschont worden, weil ich in dem dänischen Heerführer Graf Ragnar, der mir
     so nah wie ein Bruder stand, einen mächtigen Fürsprecher hatte. «Ich habe überlebt, Pater», klärte ich den Priester auf, der
     Beocca hieß, «und es wundert mich, dass Euch das nicht zu Ohren gekommen ist.»
    «Wie sollte das möglich gewesen sein?»
    «Ich habe vor Cynuit gekämpft, Vater. Davon hätte Euch Odda der Jüngere berichten können und auch davon, dass ich überlebt
     habe.»
    Beocca hörte meiner Stimme wohl an, wie zornig ich war, und sah, dass ich Odda, während wir miteinander sprachen, nicht aus
     den Augen ließ. «Du warst vor Cynuit?», fragte er nervös.
    «Hat Euch das der junge Odda nicht gesagt?»
    «Nein, mit keinem Wort.»
    «Mit keinem Wort!» Ich trieb mein Pferd voran, geradewegs auf Odda und die knienden Männer zu. Beocca wollte nach meinem Zügel
     greifen, um mich aufzuhalten, doch ich wich ihm aus. Leofric, besonnener als ich, hielt sich zurück, während ich nach vorn
     drängte, bis ein Weiterkommen in der Menge nicht mehr möglich war. Den Blick unverwandt auf Odda geheftet, fragte ich Beocca:
     «Hat er Euch nicht beschrieben, wie Ubba starb?»
    «Er sagte, Ubba sei im Schildwall gefallen», antwortete Beocca leise zischend, um die Liturgiefeier nicht zu stören, «und
     dass zu seinem Tod viele Männer beigetragen hätten.»
    «Ist das alles?»
    «Er sagte noch, dass er Ubba von Mann zu Mann entgegengetreten sei.»
    «Und wer, glaubt man, hat Ubba Lothbrokson getötet?», fragte ich.
    |20| Beocca witterte Ärger und versuchte, mich zu beruhigen. «Lass uns später darüber reden», sagte er, «doch jetzt, Uhtred, solltest
     du mit uns beten.» Er nannte mich bei meinem Namen und verzichtete auf die förmliche Anrede, weil er mich von Kindesbeinen
     an kannte. Wie ich selbst war Beocca ein Northumbrier. Er hatte im Haus meines Vaters als Priester gedient, war aber, als
     die Dänen unser Land nahmen, nach Wessex gezogen, um sich den dort ansässigen Sachsen anzuschließen, die den Eindringlingen
     noch Widerstand leisteten. «Wir sollten jetzt, anstatt zu streiten, unserem Herrgott danken», erklärte er.
    Mir aber stand der Sinn nach Streit, und so fragte ich ein zweites Mal: «Wer, glaubt man, hat Ubba Lothbrokson getötet?»
    Beocca wich meiner Frage aus. «Wir danken Gott, dass dieser Heide tot ist», sagte er und gestikulierte mit der verkrüppelten
     Hand, um mich zum Schweigen zu bringen.
    «Wen haltet Ihr denn für den Bezwinger Ubbas?», fragte ich und setzte, weil er mir eine Antwort schuldig blieb, nach: «Glaubt
     Ihr etwa, Odda habe ihn getötet?» Beoccas Miene verriet, dass er tatsächlich dieser Meinung war. Wütend und so laut, dass
     es jeder hören konnte, sagte ich: «Ich bin es, der Ubba gestellt hat. Wir kämpften Mann gegen Mann, nur er und ich. Mein Schwert
     gegen seine Axt. Und er war unverwundet, als der Kampf begann, und am Ende war er tot, Pater. Ich habe ihn zu seinen Brüdern
     in die Halle der Toten geschickt.» Ich war inzwischen außer mir vor Wut und brüllte laut; aufgeschreckt starrten mich alle
     an. Der Bischof, in dem ich den obersten Hirten von Exanceaster erkannte, derselbe Mann, der mich und Mildrith getraut hatte,
     runzelte nervös die Stirn. Nur Alfred schien ungerührt. Dann aber erhob er sich zögernd und sah mich an, während ihm seine
     Frau Ælswith mit dem |21| verkniffenen Gesicht, das man von ihr kannte, irgendetwas ins Ohr flüsterte.
    «Will hier irgendjemand bestreiten,
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