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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels
Autoren: James Morrow
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eingeschlossen. Sein Bohrverhalten sorgte für eine klare Demonstration. Als Geschöpf, das auf der Oberfläche eines Planeten beheimatet war, lebte und jagte er in der freien Luft. Wann immer er einem Baum oder Felsblock begegnete, ließ er einfach seinen Rüssel kreisen und krabbelte weiter, bis er das Hindernis durchquert hatte. Oberhalb des Bodens war dies eine nützliche, geradlinige Operationstechnik. Aber, wie Francis es in seinem Essay ausgedrückt hatte, wenn man einen Cortexclavus areteus sechs Fuß tief eingräbt, wird man erkennen, wie einfältig die Natur sein kann. Der Käfer würde natürlich immer weiterbohren, sich Kilometer um Kilometer vorwärts arbeiten, um den ganzen Globus herum, wenn es sein mußte – bis der Boden über ihm einstürzte und ihn befreite,vorausgesetzt, daß er bis dann noch nicht an Erschöpfung gestorben war.
    Francis zündete ein Streichholz an, und der Cortexclavus begann zu tanzen, um sich sein Mittagessen zu verdienen.
     
    Burne und Luther hatten auf dem Boden des Kontrolldecks ein Dutzend Spektro-Abzüge zu einem riesigen Puzzle-Bild von Carlotta zusammengelegt. Und als Francis auftauchte, krochen die beiden Wissenschaftler wie Babys darum herum, bewaffnet mit Bleistiften und Winkelmessern, und zogen Linien.
    »Nun, was habt ihr rausgefunden?« fragte Francis.
    Burne ließ seinen ausgestreckten Zeigefinger über dem Mittelpunkt eines Fotos am Außenrand kreisen, dann drückte er plötzlich mit der Fingerkuppe darauf, als wolle er eine Mücke zerquetschen. »Wir befinden uns hier.« Der Finger hob sich wieder und zog eineSpiralenlinie nach Osten, über dreizehnhundert Kilometer hinweg. »Das nächstgelegene Polluzit ist hier.« Der Finger senkte sich, eineweitere Mücke mußte dran glauben. »Und dazwischen liegt… Nun, du hast die Aussicht ja schon bewundert.«
    Francis trat an den Rand der Landkarte. »Das ist es also, was dieser Planet zu bieten hat? Sand?«
    Burne nickte. »So viel, daß man auf der Nerde für die nächsten Millionen Jahre jede Katzenkiste füllen könnte.«
    »Oh, hier gibt’s noch mehr als Sand«, sagte Luther. »Das Polluzit liegt in einem Dschungel. Und das da…« Seine nicht entzündete Pfeife folgte einer Schlangenlinie am Westrand des Dschungels.
    »Ein Fluß?« fragte Francis.
    »Ja, aber ein ungewöhnlicher Fluß – heiß und pulsierend, wie ein transkontinentales Blutgefäß.«
    Rhetorische Ergüsse dieser Art machten Francis immer ganz kribblig. »Wie lange wird es dauern, bis wir das Erz haben?«
    »Mit unserem Magnumauto müßten wir den Fluß in drei Tagen erreichen«, antwortete Burne. »Wir schrauben die Pontons an, schwimmen mit dem Auto rüber, dann marschieren wir achtundvierzig Stunden durch den Dschungel – bis zum Nordrand der Erzader. Und der Rückweg dauert natürlich ebenso lange.«
    »Oh…« Francis’ Stimmung sank. »Zehn Tage!«
    Er verabscheute das Magnumauto. Und das Magnumauto erwiderte diese Abneigung von ganzem Herzen. Wann immer er die Nebenstraßen der Nerde entlangfuhr, um nach Insekten zu suchen, warf diese boshafte Erfindung ihre Gleitflächen oder andere Metallteile von sich ab, und er mußte den Rest des Nachmittags damit verschwenden, eine Reparaturanleitung zu lesen, die in einer idiotischen Verschandelung der englischen Sprache geschrieben war.
    »Und was passiert, sobald wir das Mineral an Bord haben?« fragte Francis wiederum.
    »Wenn ich ein richtiges Labor zur Verfügung hätte«, erwiderte Luther, »könnte ich das Cäsium in zwei Stunden rausholen. Aber im Labor der Darwin, wo ich Salzsäure als Extraktionsagens benutzen muß – zwei Tage.«
    »Spielt es eine Rolle, ob…« Francis verstummte, als Kappie keuchend und aufgeregt hereinstürmte.
    »Seht mal!« Sie hielt ein Gesicht in den Händen – kein richtiges, sondern das grausige, gezähnte Knochengerüst eines Gesichts.
    »Gottes heilige Steuerrückzahlung!« rief Burne. »Die Motoren sind noch nicht einmal abgekühlt, und McKack ist der Meinung, daß sie unbedingt rauslaufen muß, um ein Schädelfossil aufzustöbern.«
    Kappie räusperte sich verächtlich. »Lieber Burne, vielleicht würdest du mal genauer hinschauen. Das ist kein Fossil. Wir haben Eingeborene gefunden.« Sie hielt ihm das Gesicht entgegen, als wolle sie ihm ein Geschenk darbringen.
    Die Tatsache, daß es sich um einen Schädel handelte, war weniger bestürzend als der Zustand desselben. Da war kein Schädel, sondern nur ein kümmerlicher Rand, grausam zerhackt, in
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