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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels
Autoren: James Morrow
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sie nicht einmal genügend physische Substanz besaß, um eine Sumpfblattlaus zu erdrosseln? Wie konnten so viele Verhaltensweisen in einen so winzigen Körper gepreßt sein? Er hoffte, daß seine Abhandlung neue Perspektiven in der Biologie eröffnen könnte, wußte aber, daß es nicht dazu kommen würde.
    An dem Tag, als die Bestiarium-Winterausgabe an den Kiosken erschien, stapfte Francis vier Kilometer weit durch den Schnee und kaufte acht Exemplare. Aus einem der Hefte schnitt er die erste Seite seines Artikels heraus, rahmte sie ein und hängte sie über das Bücherregal in seinem Apartment. Niemand nahm jemals Notiz davon.
     
    Im Einklang mit Francis’ festem Glauben an das Naturgesetz erreichte die Nerde den eisigen Außenpunkt ihres Orbits, bog um die Ecke und näherte sich dem Perihelium und dem warmen, sonnigen Wetter. An einem besonders fotogenen Tag saß er in seinem beengten Büro und fragte sich gerade, ob er jemals zum ordentlichen Professor avancieren würde, als ein Sekretär, dessen Namen er sich nicht merken konnte, den Kopf zur Tür hereinsteckte und verkündete, unten in der Halle würde ihn ein Videophongespräch erwarten. Francis’ Büro war nicht mit einem Videophon ausgestattet. Manchmal staunte er darüber, daß es überhaupt einen Boden hatte. Burne Newman von der archäologischen Abteilung des Instituts rief ihn an, um ihm mitzuteilen, daß er der Regierung eine unanständig hohe Summe und die Genehmigung für eine wissenschaftliche Expedition nach Arete entlockt habe. Kappie McKack, das enfant terrible von der Anthropologie, und Luther Gorst, der vieillard terrible von der Chemie, wollten ihn begleiten. Ob Francis nicht ebenfalls Lust habe, mitzukommen, nach Insekten zu fahnden und berühmt zu werden?
    Francis brauchte zehn Sekunden, um zu erkennen, daß seine private Angst vor der Raumfahrt von seinem professionellen Bedürfnis besiegt wurde, der erste Entomologe zu werden, der das Insektenleben von Arete erforschte. »Reservier mir einen Platz«, bat er alsdann.
    Der Trip erwies sich als ein gigantischer, sündhaft teurer Fehlschlag. Kappie und Burne fanden keine Eingeborenen, die sie studieren konnten. Luther fand keine bemerkenswerten Kristalle, und Francis fand nur heraus, daß die Verpflegung im Weltall bestenfalls langweilig war und schlimmstenfalls zu Verstopfung führte.
    Als Burne versuchte, die Restsumme – zweitausend Dancs – zurückzuerstatten, sagte man ihm, er möge doch bitte wieder gehen. Es würde die Regierung mehr Zeit und mehr Mühe und letztlich auch mehr Geld kosten, den Überschuß zurückzunehmen, als vorzugeben, Burne habe alles verbraucht.
     
    Dann erhielt Luther mit einiger Verspätung den Poelsig-Preis, weil er irgendwas mit dem Wetter angestellt hatte. Zusammen mit den zweitausend, die sie nicht ausgegeben hatten, besaßen sie nun genug, um noch einmal auf Reisen zu gehen.
    Diesmal landeten sie im unheimlichen Norden, wo sich die Krater, von verirrten Asteroiden gegraben, zwanzig Pockennarben auf dem Gesicht des Planeten, durch die Gewalt unterirdischer Flüsse und der Regenfälle von Arete zu Seen entwickelten. Am ersten See angekommen, schlüpfte Luther in einen Taucheranzug, sprang in das dunkle Wasser und kehrte mit einem Meteoriten zurück, der auch den anspruchsvollsten Sammler entzückt hätte. Am übernächsten See fanden Kappie und Burne ein Fischernetz, dann ein Kanu und schließlich einen Aretianer. Voller Neid beschloß Francis, den nächsten Tag in dem Sumpf zu verbringen, der an das Aretianerdorf grenzte, und ihn erst wieder zu verlassen, wenn er etwas Sechsbeiniges mit drei Körpersektionen und der Seele einer Bohnenlaus aufgestöbert hatte.
    UW Canis Majoris schmiegte sich gerade an den Horizont, als Francis seine Nyoplenstiefel anzog, seinen Rucksack schulterte und auf Zehenspitzen aus der Darwin schlich. Nach zwei sumpfigen Stunden erwog er ernsthaft einen Berufswechsel. Wenn er zum Beispiel Botaniker gewesen wäre, hätte er viele Gründe gehabt, diesen Marsch zu genießen, hätte sich an den stattlichen Bäumen erfreut, an den weitverzweigten Ranken, an den bizarren Büschen, die sich ganz offensichtlich durch Koitus vermehrten und auch noch Spaß daran fanden. Und dann erblickte er einen ungewöhnlich festen Schlammfleck zwischen Monsterfarnen. Und in der messerscharfen Morgenkälte von Arete drehte Francis, mit Schmutz an den Händen und Triumph im Herzen, genau den richtigen Stein um.
    In der Sekunde, da er jenen Rüssel sah,
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