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Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Titel: Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
Autoren: Bettina von Kleist
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eventueller Krankheiten verrückt, sondern freuen uns über jeden Tag, den wir gemeinsam haben. Diese tiefe Verbundenheit habe ich als junge Frau nicht gekannt. Ich sage auch meinen Kindern, dass ich sie liebe, und sie sagen es uns auch. Mein Mann nimmt häufig meine Hand und küsst sie. Neulich waren wir mit dem Fahrrad unterwegs. Da sagte er: »Männer sind nun mal so, sie gucken hin. So einen schönen Jeanshintern wie du hat keine.«
    Martha H.: »Im Alter festigt sich Glück noch mehr.«
    »Das war auch wieder so ein Wunder.« Martha H. sagt es oft. Die Adjektive »wunderschön, herrlich, wunderbar« durchziehen ihre Schilderungen, doch die Fröhlichkeit der 85 -jährigen großen, schlanken Frau wirkt nicht aufgesetzt Als ich die gebürtige Hamburgerin in dem kleinen Reihenhaus am Stadtrand Hamburgs besuche, habe ich ihre Erinnerungen gelesen, die sie für ihre große Familie aufgeschrieben hat. Ihr Lebensbericht ist in vielem typisch für ihre Frauengeneration und beinhaltet trotz ihrer liebevollen Kindheit viel Leid: Der Verzicht aufs Gymnasium aufgrund der langen Arbeitslosigkeit des Vaters, Krieg und Flucht, 1945 fiel ihr Bruder, eines ihrer sechs Kinder starb.
    Familiär seit Generationen verankert in der Neuapostolischen Kirche, führt Martha H. ihre Gabe, auch im Schrecken immer wieder Schönes zu entdecken und Schicksalsschlägen einen tiefen Sinn abzuringen, auf ihren Glauben und die Geborgenheit in der Kirchengemeinde zurück.
    Die Zweieinhalbzimmerwohnung zeugt von einem erfüllten Leben. Überall hängen Fotos ihrer Enkel und Kinder; offene, frohe Gesichter blicken aus gerahmten Familienporträts. Zwischen Verwandten, Freunden steht auch das Foto einer Studentin, an die sie die obere Etage vermietet hat; in der Schrankwand neben der Couchgarnitur reihen sich beschriftete Fotoalben aneinander. Begeistert führt Martha H. vor, wie sie auf ihrem Computer Aufnahmen einscannt und bearbeitet. Als Hobbyfotografin trat sie in die Fußstapfen ihres Vaters, der daraus schließlich einen Broterwerb machte.
    Unser Gespräch verteilen wir auf zwei Tage. So jung Martha H. wird, wenn sie erzählt und dabei hell auflacht, nach zwei Stunden lässt ihre Konzentration nach. Nach dem Mittagessen, das sie schon vorgekocht hat, machen wir einen Spaziergang zur nahe gelegenen modernen Kirche. Im Schaukasten ist die Silhouette eines Bergsteigers. Darunter steht die Monatslosung: »Glaube gibt Sicherheit und Halt.«
    Im September haben wir in einem Gasthof meinen 85 sten Geburtstag gefeiert. Es war herrliches Wetter, wir waren 40 Personen. Meine 15 Enkel saßen an einem langen Tisch, meine Kinder mit ihren Partnern an einem anderen, am dritten saßen Schwiegereltern, Freunde und Verwandte und ich in der Mitte. Ich habe alle begrüßt, mich bedankt, dass sie gekommen sind und dass ich 85 Jahre erreichen durfte. Es war ein wunderbares Fest. Schön war es, weil so viel vorgetragen wurde: Gedichte, meine Enkel sangen und musizierten, mein Sohn verteilte an die Gäste Buchstaben, zusammen ergaben sie »Herzlichen Glückwunsch«, bei jedem Buchstaben sagte er etwas über mich. Bei H »voller Hoffnung«, bei Z »zufrieden«, bei W »wunschlos glücklich«, beim zweiten C fiel ihm nichts mehr ein, da sagte er: »Immer chic angezogen«. Eine andere Idee war: Während Musik spielte, wurde ein Schirm herumgereicht, mit zwölf Herzen, für jeden Monat des Jahres eines. Diejenigen, bei denen die Musik aufhörte, nahmen ein Herz herunter und verpflichteten sich, mir in diesem Monat etwas Gutes zu tun. Einer hat mir die Hecke geschnitten, eine hat mich ausgeführt, eine hat das Beet neu bepflanzt.
    Ich glaube, Glück festigt sich im Alter noch mehr. Man hat mehr Zeit dafür, ist nicht mehr so belastet mit allem, was das Glück stören könnte. Viele Alte sind so krank, dass sie Glück nicht mehr empfinden. Ich habe auch meine Schwierigkeiten, zwei neue Hüften, ein neues Knie und jetzt soll mein Auge operiert werden, aber es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Menschen möchten ihre Jugend oft möglichst lange hinausziehen. Ich bin auch dankbar für jeden Tag, aber ich denke, dass das Leben mit dem Tod nicht zu Ende ist.
    Mein Mann starb vor 20 Jahren mit 68 . Sein plötzlicher Tod war ein Schock, aber die Gebete vieler Freunde haben mich durch das Trauertal getragen, ich bekam viel Besuch und Beistand. Bürokratisches wie z.B. die Steuererklärung hatte ich ohnehin schon immer erledigt, deshalb stand ich nicht hilflos da. Ich übernahm
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