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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel
Autoren: Patrick Woodhead
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überhitzen würden, und Mobiltelefone braucht man sich bloß ans Ohr zu halten, um zu merken, wie warm sie werden.»
    «Aber sind Sie sich sicher, dass diese Geräte genügend Hitze entwickeln, um Menschen krank zu machen?», fragte Kai.
    «Nein», sagte Bear. «Aber wir alle waren in der Mine und haben gesehen, was das Zeug anrichten kann. Es ist tödlich. Wenn Sie also beabsichtigen, es auf den Markt zu bringen, müssen Sie es vorher gründlich testen. Andernfalls haben Sie den Tod Tausender unschuldiger Menschen zu verantworten.»
    Kai zupfte an dem Sauerstoffschlauch in seiner Nase, nahm die Brille ab und rieb sich die Augen, während er darüber nachdachte, was all das soeben Gehörte zu bedeuten hatte. Die anderen warteten. Aber zunächst saß er nur reglos da und schien die alten Augen auf einen Punkt im See zu fixieren.
    Kai wusste, dass die Gilde Milliarden Dollar in das Goma-Projekt investiert und alle Mitgliedsfamilien sich mit beträchtlichen Summen daran beteiligt hatten. Es ging um eine neue Technologie, mit der China den Weltmarkt im Sturm erobern wollte, und jede Verzögerung, jeder Zweifel an der Sicherheit dieser Technologie würde all diesen Familien enorm schaden. Nicht auszudenken, wie groß der Schaden wäre, sollte das Projekt für eine längere Testphase auf Eis gelegt werden, ganz zu schweigen von der Katastrophe, die über alle Beteiligten hereinbrechen würde, sollten sich die Behauptungen dieser Leute als wahr erweisen.
    Plötzlich kam Xie angeschlurft. Er hatte sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten. Jetzt ging er auf Kai zu.
    «Wenn Sie erlauben …», sagte er auf Mandarin. «Woher wissen wir, dass diese Leute die Wahrheit sagen? Wir müssen in Erfahrung bringen, wer sie überhaupt sind. Vielleicht wurden sie zu uns geschickt, um uns mit Lügen zu füttern und die Inbetriebnahme unseres neuen Kommunikationssystems zu verzögern.»
    Kai zog die Augenbrauen hoch und machte eine Kopfbewegung in Richtung Jians Halsband. «Der Beweis liegt doch direkt vor unseren Augen.»
    «Aber, verzeihen Sie, es gibt da noch andere Faktoren zu bedenken. Unsere Investitionen waren enorm, und wir haben Verpflichtungen gegenüber der Gilde …»
    Kai hob die Hand und brachte Xie zum Schweigen. Selbst im Halbdunkel der Veranda sah er kreidebleich aus. Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Er sah zu Luca, Bear und Joshua hinüber und wandte sich dann wieder an Xie.
    «Verpflichtungen …», griff er dessen Bemerkung auf. «Eine interessante Frage: Worin liegt unsere größte Verpflichtung? Sicherlich haben wir viel in dieses Projekt investiert, und ich leugne nicht, dass es von allergrößter Bedeutung ist. Aber wenn diese Leute hier recht haben, möchte ich nicht zum Massenmörder werden, nur um unsere Börsennotierungen nicht zu gefährden.» Kai nickte, wie um sich selbst der Richtigkeit seiner Aussage zu vergewissern. Die Verantwortung, die auf ihm lastete, war immens. Dann gab er sich einen Ruck und sagte: «Stornieren Sie alle Lieferungen, bis diese neue Substanz getestet ist.»
    Xie schloss die Augen. Diese Entscheidung hatte Konsequenzen, von denen ihm schwindelig wurde. Es würde nicht lange dauern, bis die ganze Gilde von diesem Debakel erfuhr, und bald würde ganz China Bescheid wissen. Die ohnehin schon instabile Organisation würde endgültig zerfallen, es würde interne Machtkämpfe und gegenseitige Vorwürfe geben, und das Band zwischen den dreihundert einflussreichsten Familien Chinas würde endgültig zerreißen.
    «Ich werde den Befehl umgehend weiterleiten», sagte er, verbeugte sich ehrerbietig und zog sich zurück.
    Kai wandte sich an die drei Besucher. «Sollte sich herausstellen, dass Sie uns getäuscht haben, werden wir Sie finden.» Dann machte er eine wegwerfende Handbewegung. «Und nun gehen Sie!»
    Wortlos gingen die drei zum Hubschrauber zurück.
    Kai beobachtete, wie der Hubschrauber abhob und im Nachthimmel verschwand.
    «Und der General?», fragte Xie auf Mandarin, als er wieder auf die Terrasse trat.
    Kai starrte auf den See und sagte: «Er bleibt, wo er ist. Sein Schicksal ist ohnehin besiegelt.»
     
    Jian sah in seinem Zimmer aus dem Fenster. Er hatte sich das Hemd vom Leib gerissen und saß auf die Ellenbogen gestützt am Tisch. Ohne es zu merken, kratzte er an der Schwellung an seinem Hals, die sofort wieder zu bluten begann. Dieses Mal so heftig, dass ihm das Blut bis in die Armbeuge rann.
    Er senkte den Kopf und sah auf seinen Laptop, der vor dem
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