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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel
Autoren: Patrick Woodhead
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Schmetterlingskäfig stand. Auf dem Bildschirm waren die aktuellen Kurse der New Yorker Börse zu sehen. Mit einer ausladenden Armbewegung fegte er ihn vom Tisch, sodass er krachend zu Boden fiel. Dann richtete Jian den Blick auf die Schmetterlinge. Einer öffnete gerade langsam die Flügel, und das schimmernde Rosa war zu sehen.
    Über die Jahre hatte Jian seiner Sammlung Hunderte von Tieren einverleibt, aber diese hier waren die schönsten, die er je gesehen hatte. Sie waren makellos. Ihre Zeichnung war vollkommen symmetrisch, und ihre Farbe war schöner, als er sie sich je vorgestellt hatte.
    Vor zwei Tagen hatte er seinen Bediensteten befohlen, alles für seine Rückkehr vorzubereiten. Sogar ein neuer Schaukasten war schon angefertigt worden, mit der Aufschrift
Salamis parhassus
in Blattgold. Alles war bereit.
    Jian öffnete das Gitter und griff in den Käfig. Mit geübten Bewegungen tastete er sich zum nächsten Schmetterling vor, die Finger gerade so weit geöffnet, dass der Körper des Falters dazwischenpasste. Er hielt die Luft an, und seine schwarzen Augen weiteten sich vor Erwartung, als er plötzlich die Hand vorschnellen ließ. Es war eine präzise Bewegung. Seine Finger glitten unter den Flügeln entlang, und es bedurfte lediglich einer Berührung …
    Jian öffnete die Lippen, als er eine winzige Bewegung des Falters zwischen den Fingern spürte. Langsam zog er die Hand zurück und lockerte seinen Griff. Der Schmetterling öffnete die Flügel, und in einem einzigen rosa Farbrausch erhob er sich in die Luft. Er hatte sichtliche Mühe, gegen den Nachtwind anzukommen, der zum offenen Fenster hereinwehte, doch dann verschwand er in die Nacht.
    Jian sah ihm nach.
    «Wunderschön», murmelte er. «Einfach wunderschön.»

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    Kapitel 38
    Luca schälte sich aus den weißen Laken und ging leise ins Bad. Er spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht, zog ein frisches weißes T-Shirt und die leichte braune Hose an, die er auch im Dschungel getragen hatte. Die Wäscherei hatte ihr Bestes versucht, aber gegen die aufgescheuerten Fasern war sie machtlos, und an den Knien würde die Hose ewig die Spuren des schwarzen Schlamms tragen.
    Luca schlich zur Tür, blieb stehen und sah sich zum Bett um. Bear schlief noch und hatte das Gesicht tief in die Kissen gegraben. Die Bettdecke lag auf ihren Beinen, aber ihre Füße lugten unten heraus. Von der Hüfte aufwärts war sie nackt. Luca konnte kaum fassen, wie schön sie war.
    Leise ging er hinaus, schloss die Tür und machte sich auf den Weg in die Lobby. Das Hotel war ein wahres Labyrinth von Gängen, die alle hell und freundlich gestrichen und mit Lautsprechern ausgestattet waren, aus denen unentwegt Panflötenklänge ertönten.
    In der Lobby wimmelte es von Menschen. Die Touristensaison in Ruanda hatte gerade begonnen, und die Safari Lodge war das beliebteste Hotel der Stadt. Aber nicht nur Ausländer bevölkerten die Lobby, auch Einheimische gingen hier ihren Geschäften nach. In einer Ecke wurde gerade eine Gruppe von Anzugträgern in den Konferenzsaal geführt, in der anderen warteten westliche Touristen vor dem Souvenirshop auf den Tourguide, der mit ihnen eine Wanderung zu den Berggorillas machen sollte. Die Touristen trugen Kameras mit Teleobjektiven um den Hals, und ihre Nasen glänzten von Sunblocker.
    Luca fand sich also umgeben von Menschen, die ein ganz normales Leben führten. Sie aßen, arbeiteten, diskutierten und lachten, während er sich wie aus der Welt gefallen vorkam. Mit diesen Leuten hatte er nichts gemein, und selbst ihre Grundbedürfnisse schienen andere zu sein als seine. Sie lebten ihre Normalität, nicht seine. Aber auf seinen Gebirgsexpeditionen hatte er nach und nach begriffen, dass er lernen musste, mit diesen Menschen zurechtzukommen, und zwar schnell, wenn er je wieder ins «normale» Leben zurückfinden wollte.
    Er war entschlossen, von jetzt an so leben, aber noch war ihm dieses Leben fremd.
    «Mr. Matthews?»
    Die Rezeptionistin musste seinen Namen mehrfach wiederholen, bevor Luca sie bemerkte.
    «Ich habe eine Nachricht für Sie. Sie ist heute Morgen eingetroffen.»
    «Danke. Gibt es noch Frühstück? Ich sterbe vor Hunger.»
    «Das Buffet wird gerade abgebaut, aber bestimmt ist noch etwas für Sie da.»
    Luca bedankte sich und ging auf die Terrasse, vor der ein großer Swimmingpool lag. Auf einer Seite der Terrasse standen Tische und Stühle, auf der anderen Sonnenliegen. Etliche Touristen lagen bereits in der Sonne
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