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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten
Autoren: Brent Weeks
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Allmählich fing Azoth wieder an zu arbeiten und begann, Kupfermünzen zu sammeln, um sie in Jarls Bündel zu stecken. Die Tage waren schrecklich: Ratte ließ Jarl nicht mit Azoth sprechen, und nach einer Weile glaubte Azoth, dass Jarl nicht einmal mehr mit ihm sprechen wollte. Der Jarl, den er kannte, verschwand nach und nach. Es wurde auch nicht besser, als sie auf hörten, ihn zu zwingen, das Kleid zu tragen.
    Die Nächte waren noch schlimmer. Ratte holte Jarl jede Nacht zu sich, während der Rest der Gilde so tat, als bekäme er nichts mit. Azoth und Puppenmädchen kauerten sich in der von leisem Weinen durchbrochenen Stille zusammen, die später kam, und Azoth lag lange Stunden auf dem Rücken und plante kunstvolle Rache, von der er wusste, dass er sie niemals ausführen würde.
    Er wurde verwegen, beschimpfte Ratte, hinterfragte jeden Befehl, den der Junge gab, und wurde zum Fürsprecher für jeden, den Ratte schlug. Ratte schimpfte zurück, aber immer mit diesem
schwachen Lächeln in den Augen. Die Kleinen und die Verlierer der Gilde fingen an, Azoth zu verehren und ihn mit anbetenden Blicken zu betrachten.
    An dem Tag, an dem zwei Große ihm ein Mittagessen brachten und mit ihm auf der Veranda saßen, konnte Azoth spüren, dass die Gilde einen kritischen Punkt erreicht hatte. Es war eine Offenbarung. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass Große ihm folgen würden. Warum sollten sie auch? Er war nichts. Und dann erkannte er seinen Irrtum. Er hatte niemals Pläne für den Fall geschmiedet, dass Große sich ihm anschlossen. Auf der anderen Seite des Innenhofs saß Ja’laliel, in jämmerlichem Zustand, Blut hustend und mit hoffnungsloser Miene.
    Ich bin so dumm. Ratte hatte genau darauf gewartet. Er hatte es so arrangiert, dass Azoth als Held dastand. Er hatte es ihm sogar vorausgesagt. Dies würde kein gewöhnlicher Schlag werden. Es würde eine Säuberung werden.
     
    »Vater, bitte, geh nicht.« Logan Gyre hielt das Streitross seines Vaters; er ignorierte die Kühle vor Sonnenaufgang und kämpfte gegen die Tränen an.
    »Nein, lass das«, befahl Herzog Gyre Wendel North, seinem Haushofmeister, der den Dienstboten, die Truhen mit den Kleidern des Herzogs gebracht hatten, Anweisungen gab. »Aber ich will, dass mir binnen einer Woche tausend Wollumhänge nachgeschickt werden. Bezahle sie aus unserer Kasse und verlange von niemandem eine Erstattung, wenn du sie lieferst. Ich will dem König keinen Vorwand verschaffen, um Nein zu sagen.« Er verschränkte seine in Panzerhandschuhen steckenden Hände hinterm Rücken. »Ich weiß nicht, in welcher Verfassung die Garnisonsställe sind, aber ich hätte gern
Nachricht von Havermere, wie viele Pferde sie vor dem Winter schicken können.«
    »Das ist bereits geschehen, Mylord.«
    Auf jeder Seite kamen und gingen Dienstboten und beluden die Wagen, die nach Norden reisen würden. Hundert Ritter Gyres trafen ihre eigenen letzten Vorbereitungen und überprüften ihre Sättel, ihre Pferde und ihre Waffen. Dienstboten, die ihre Familien zurücklassen würden, sagten hastig Lebewohl.
    Herzog Gyre wandte sich an Logan, und allein der Anblick seines Vaters in seiner Rüstung trieb Logan Tränen des Stolzes und der Furcht in die Augen.
    »Sohn, du bist zwölf Jahre alt.«
    »Ich kann kämpfen. Selbst Meister Vorden gibt zu, dass ich mit einem Schwert beinahe so gut umgehe wie die Soldaten.«
    »Logan, ich lasse dich nicht deshalb zurück, weil ich nicht an deine Fähigkeiten glaube. Ich tue es, gerade weil ich daran glaube. Tatsache ist, dass deine Mutter dich hier dringender braucht, als ich dich in den Bergen brauche.«
    »Aber ich will mit dir gehen.«
    »Und ich will überhaupt nicht fortgehen. Es geht nicht darum, was wir wollen.«
    »Jasin sagte, Neuner versuche, dich in Verlegenheit zu bringen. Er sagte, es sei eine Beleidigung für einen Herzog, ein so kleines Kommando übertragen zu bekommen.« Die anderen Dinge, die Jasin gesagt hatte, erwähnte er nicht. Logan betrachtete sich nicht als auf brausend, aber während der drei Monate, seit König Darvin gestorben war und Aleine Gunder den Titel Aleine der Neunte angenommen hatte - geringschätzig auch schlicht Neuner genannt -, war Logan in ein halbes Dutzend Kämpfe verwickelt gewesen.

    »Und was denkst du, Sohn?«
    »Ich denke nicht, dass du vor irgendjemandem Angst hast.«
    »Also hat Jasin gesagt, ich hätte Angst, hm? Ist das der Grund, warum du Prellungen an den Fingerknöcheln hast?«
    Logan grinste
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