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Der Wandermoerder

Der Wandermoerder

Titel: Der Wandermoerder
Autoren: Douglas Starr
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abgeklungen waren.
    Anfang März 1894 schrieb Dufour dem Präfekten von Isère, dass Vacher wegen seiner gelösten Verlobung einen Nervenzusammenbruch erlitten habe, nun aber geheilt sei. Der Präfekt ordnete daraufhin Vachers Entlassung an. Am 1. April 1894, weniger als zehn Monate nach seinem Mordversuch an Louise, öffneten ihm Wärter daraufhin das schmiedeeiserne Tor. Vacher umarmte seine Ärzte und Mitbewohner, dann ging er hinaus in die Freiheit.
    Eine Zeitung schrieb später über diesen Augenblick: »Eine wilde Bestie wurde aus ihrem Käfig entlassen.«

Zwei
Der Professor
    Mitte November 1889 bat ein Staatsanwalt Dr. Alexandre Lacassagne, den Leiter der rechtsmedizinischen Abteilung der Universität Lyon, ihm bei einem besonders widerwärtigen Fall zu helfen. Vier Monate zuvor hatte man an der Rhone eine Leiche in einem Sack gefunden, etwa 20 Kilometer südlich der Stadt. Ein Arzt hatte die Leiche obduziert, konnte sie jedoch nicht identifizieren. Wegen neuer Erkenntnisse wurde die Leiche jetzt exhumiert. Natürlich war nicht mehr viel von ihr übrig – aber ob Dr. Lacassagne dennoch eine neue Autopsie vornehmen wolle? Vielleicht werde er ja etwas entdecken, was seinem Kollegen entgangen sei.
    Es war nicht ungewöhnlich, dass Lacassagne gerufen wurden, nachdem andere gescheitert waren, denn er hatte einen ausgezeichneten Ruf als erfahrener Kriminologe. Er hatte Lehrbücher verfasst, viele neue forensische Techniken entwickelt und mehrere bekannte Fälle untersucht. Daher galt er als Primus inter Pares einer internationalen Expertengruppe auf dem neuen Gebiet der Gerichtsmedizin.
    Man nahm an, dass der Tote ein vermisster Pariser Gerichtsvollzieher namens Toussaint-Augustin Gouffé war. Der Witwer mit zwei Töchtern war ein wohlhabender Mann gewesen und hatte als Frauenheld gegolten. Am 27. Juli hatte sein Schwager Landry ihn bei der Polizei als vermisst gemeldet. Zunächst war die Polizei wenig interessiert gewesen – dies war der Sommer der Weltausstellung in Paris, und viele Leute kamen und gingen ohne Ankündigung. Doch als Gouffé nach drei Tagen immer noch nicht aufgetaucht war, nahm man den Fall ernst und übertrug ihn Marie-François Goron, dem angesehenen Chef der Sûreté, der Pariser Kripo.
    Drei Wochen später entdeckte man etwa 480 Kilometer südöstlich von Paris in der Nähe des Dorfes Millery südlich von Lyon eine Leiche. Ein paar Tage danach fanden Schneckensammler im Wald Teile eines Holzkoffers, an denen Leichengruch hing und sich ein Adressanhänger aus Paris befand.
    Hatten die Leiche und der Koffer etwas mit dem Vermissten zu tun? Goron übermittelte dem Gerichtsmediziner in Lyon telegrafisch eine Beschreibung Gouffés. Damals war Lacassagne verreist, daher nahm Dr. Paul Bernard, ein Kollege und ehemaliger Schüler von ihm, die Autopsie vor. Er fand kaum etwas, was zu dem Vermissten gepasst hätte. Gewiss, die Leiche hatte wie Gouffé große, starke Zähne, und der rechte obere Mahlzahn fehlte, aber das war so ziemlich alles. Die Leiche war etwa 1,70 Meter groß, während der vermisste Mann zweieinhalb Zentimeter größer war. Die Leiche hatte schwarzes Haar, Gouffés Haar war kastanienbraun. Der Tote war nach Bernards Schätzung zwischen 35 und 45 Jahre alt, aber Gouffé war 49 gewesen. Um sicherzugehen, schickte Goron einen Beamten mit Landry nach Lyon. Landry warf einen kurzen Blick auf die aufgedunsene, grünliche Leiche, japste nach Luft und konnte nicht die geringste Ähnlichkeit mit seinem Schwager erkennen. Also wurde der Fall abgeschlossen, die Männer kehrten nach Paris zurück, und die Leiche wurde in einem Armengrab bestattet.
    Das hätte das Ende dieses Vorfalls sein können. Doch im Herbst erhielt Goron einen anonymen Hinweis. Kurz bevor Gouffé aus Paris verschwunden war, hatte man ihn mit einem Betrüger namens Michel Eyraud und seiner Gefährtin Gabrielle Bompard im »Café Gutenberg« gesehen. Das Paar hatte Paris dann einen Tag nach Gouffés Verschwinden verlassen. Inzwischen hatte Goron den Adressanhänger einem Beamten im Gare de Lyon in Paris gezeigt. Aufzeichnungen belegten, dass der Koffer am Tag nach Gouffés Verschwinden nach Lyon geschickt worden war. Er hatte 105 Kilo gewogen – etwa so viel wie ein erwachsener Mann und ein stabiler Holzkoffer.
    Alles deutete darauf hin, dass es sich bei der Leiche um Gouffé handelte – außer der Autopsie. Goron vermutete daher einen Fehler und beantragte bei den Behörden in Lyon eine Exhumierung der Leiche. Das
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