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Der Waldsteig

Titel: Der Waldsteig
Autoren: Adalbert Stifter
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Störungen verursachen. Aber etwas anderes that er, was er kaum zu verantworten vermochte. Er konnte sich nehmlich nicht erwehren, er frühstükte sehr viel Fleisch, und dann reute es ihn freilich.
    Aber es hatte keine üblen Folgen.
    Von nun an that Herr Tiburius wieder alles in der Ordnung, wie es ihm in dem Bade vorgeschrieben war, nur daß die Müdigkeit der Füße, die er sich in dem außerordentlichen Gange zugezogen hatte, schier acht Tage anhielt, und ihn selbst zu gewöhnlichem Gehen beinahe untauglich machte. Aber immer dachte er in der Zeit an den seltsamen Pfad, und war begierig zu erforschen, wie es denn gekommen sei, daß er sich verirrt habe.
    Diesen Gedanken zu Folge fuhr er eines Tages, da er sich schon bedeutend erholt hatte, wieder an dieselbe Stelle, wo der feste sonnige Heideboden war, und wo die schüzenden Steinwände standen. Er stieg aus dem Wagen, und sagte zu seinen Leuten, den nehmlichen, die er damals mit hatte, sie sollten nur warten, er vergehe sich heute nicht. Er ging über den ersten Plaz, wie damals, und kam auf den zweiten, der ihm so gefallen hatte, und der ihm heute wieder gefiel. Er ging über ihn und hatte auf alle Gegenstände wohl acht, die er sah. Dann ging er sogar in den Wald hinein. So wie er aber damals die Steinwand nicht hatte finden können, so konnte er sie heute nicht verlieren. Er mochte sich wenden, wohin er wollte, so sah er sie immer wieder stehen. Als er weiter auf dem Pfade fort ging und kleine Hölzlein, die er zu sich gestekt hatte, auf ihn streute, um wieder zurük zu finden, erblikte er plözlich auch die Ursache, welche ihn damals verlokt hatte. Zu seinem Wege nehmlich, und zwar an einer Stelle, wo er über Steine ging und wenig bezeichnet war, gesellte sich sachte ein anderer, der viel deutlicher ausgetreten aus dem Walde seitwärts herauf ging. Sobald also Tiburius damals zurük gehen wollte, gerieth er allemal in diesen deutlicheren Zweig des Weges und durch ihn in den ferneren Wald, der ihn von seinem Wagen ablenkte. Es erschien ihm unglaublich thöricht, wie er das nicht auf der Stelle erkennen und sehen hatte können. Heute war alles gar so klar. Er wußte nicht, daß es allen, die Wälder besuchen, so gehe. Jedes folgende Mal sind sie klarer und verständlicher, bis sie dem Besucher endlich zu einer Schönheit und Freude werden. Auch das sah er heute, daß er, als er sich einmal entschlossen hatte, immer ohne Umkehr fort zu gehen, er gerade jene Richtung des Pfades eingeschlagen hatte, welche von seinem Wagen weg führte, und daß er also zu dem Bade zurük einen großen Bogen durch das Gebirge gemacht habe. Er ging eine Streke auf dem Waldwege hinein, und erinnerte sich jezt deutlich der Dinge, die er damals schon überall liegen und stehen gesehen hatte. Auf dem Rükwege waren sie noch freundlicher und bekannter als früher. Da er zu der Gabel des Weges gekommen war, ging er über die Steine, gelangte zu der Wand, die er jezt zur Rechten hatte, und von derselben zu dem Wagen. Er stieg ein und fuhr nach Hause.
    Was Herr Tiburius dieses eine Mal gethan hatte, das versuchte er nun öfter. Ein ganz besonders schöner Herbst begünstigte ihn ausnehmend; schier immer stand die Sonne wolkenlos an einem milden freundlichen Himmel. Tiburius ging stets weiter auf seinem Steige fort, er spürte keine Nachtheile von diesen größeren Spaziergängen, ja es war sogar, als nüzten sie ihm: denn er war, wenn er weit gegangen war, wenn er an der warmen Steinwand gesessen war, wenn er die Dinge um sich herum und an der Fläche des Himmels betrachtet hatte, viel heiterer als sonst, er fühlte sich wohl, hatte Hunger und aß. Endlich brachte er es so weit, daß er, wenn er nicht ganz spät am Vormittage hinaus fuhr, bis auf die Glokenwiese, wo er den Berg mit den Schneefeldern und das heraus brodelnde Wasser sah, und von da wieder zurük zu dem Wagen gehen konnte. Er hatte dies dreimal in einer Woche gethan.
    Als Herr Tiburius die Geschichtsmalerei in Oehl aufgegeben hatte, war er auf etwas Kleineres verfallen, nehmlich auf das Zeichnen, um sich mit demselben manche angenehme Stunde zu machen, er hatte sich nach seiner Art gleich mehrere sehr vorzügliche Zeichenbücher angeschafft; aber er hatte während seiner Arzneistudien und da er so krank war, keinen Strich in diese Bücher gezeichnet. In das Bad hatte er auch die Geräthschaften des Zeichnens mit gebracht, war aber ebenfalls bis jezt nicht dazu gekommen, auf das weiße Papier den geringsten Gegenstand zu
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