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Der Waldsteig

Titel: Der Waldsteig
Autoren: Adalbert Stifter
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ihn mit großer, großer Freude zum Manne nehme, legte er heimlich, ehe er fort ging, ein Geschenk auf den Tisch, das er schon mehrere Tage mit sich in der Tasche herum getragen hatte.
    Es war ein Halsband mit sechs Reihen der erlesensten Perlen, welche schon durch viele Alter her ein Schmuk der Frauen seines Hauses gewesen waren. Er hatte, da er im Frühlinge kam, das Schmukkästchen mit sich in das Bad genommen, und es lagen noch mannigfaltige andere Sachen darin, die er nur erst fassen und umändern lassen mußte, um sie dann seiner Braut als Zierde geben zu können.
    Maria kannte den großen Werth dieser Perlen nicht, aber sie hatte eine weibliche Ahnung, daß sie viel werth sein müssen – das Einzige aber wußte sie mit Gewißheit, daß sie ihr, als sie sie einmal umgethan hatte, unsäglich schön und sanft um den Hals stünden.
    Inzwischen waren die Beweise und Belege über alle seine Verhältnisse angekommen, und er legte sie dem Vater vor. Auch hatte er in der Zeit sehr schöne Stoffe in das Häuschen geschikt. Maria hatte daraus Kleider verfertigen lassen, aber alle in der Art und in dem Schnitte, wie sie dieselben bisher getragen hatte. Er hatte ihr nichts vorgeschrieben, sondern hatte seine Freude daran, und da sie angezogen war, fuhr er mit ihr in seinem Wagen, vor dem die schönen Schimmel her tanzten, durch die belebteste Straße des Badeortes.
    Alle Leute erstaunten auf das Aeußerste; denn man erfuhr nun den Zusammenhang der Dinge, namentlich da Tiburius vor Kurzem eine größere, schön eingerichtete Wohnung gemiethet hatte. Kein einziger Mensch hatte die leiseste Ahnung davon gehabt; selbst seine Diener hatten immer geglaubt, er fahre blos um zu zeichnen in den Wald hinaus: indessen hat er sich irgend wo dieses schöne Mädchen aufgelesen, und bringe sie nun als Braut. In alle Häuser, Zimmer und Kammern verbreitete sich das Gerücht. Nicht ein Mal, sondern mehr als hundert Male wurde das altdeutsche Sprichwort gesagt: »Stille Wässer gründen tief,« und mancher lüsterne, feinkennende, alternde Herr sagte bedeutungsvoll: »Der abgefeimte Fuchs wußte schon, wo man sich die schönen Tauben holen solle.«
    Tiburius hatte indessen, als die gesezlichen Bedingungen erfüllt waren, und als die gesezliche Zeit verflossen war, Maria in seine Wohnung als Gattin eingeführt, und im Spätherbste sahen alle Badegäste, die noch da waren, wie er sie in einen schönen wohleingerichteten Reisewagen, der vor dem Hause hielt, einhob, und mit ihr nach Italien davon fuhr.
    Er wollte dort den Winter zubringen, allein er blieb dann drei Jahre auf Reisen durch die verschiedensten Länder, von wo er dann in das Haus zurükkehrte, das ihm unterdessen in Marias schönem Vaterlande gebaut worden war. Das väterliche hatte er verkauft.
    Wie ist nun Herr Tiburius anders geworden!
    Alle seidenen Chinesen sind dahin, die Elenhäute auf Betten und Lagerstätten sind dahin – er schläft auf bloßem reinem Stroh mit Linnendeken darüber – alle Fenster stehen offen, ein Luftmeer strömt aus und ein, er geht zu Hause in eben so losen leinenen Kleidern, wie sein Freund, der kleine Doctor, der ihm den Rath wegen dem Bade gegeben hatte, und er verwaltet sein Besizthum wie ebenfalls der kleine Doctor.
    Dieser Doctor, der sich für sein Leben ein Recept gemacht hatte, hauset nun schon mehrere Jahre in der Nähe von Tiburius, wohin er alle seine Pflanzen und Glashäuser wegen der bessern Luft und anderer gedeihlicherer Verhältnisse übergesiedelt hatte. Da ihm die Sache von Tiburius Heirath zu Ohren gekommen war, soll er unbeschreiblich lustig gelacht haben. Er achtet und liebt seinen Nachbar ungemein, und obwohl er ihn damals gleich nach kurzer Bekanntschaft Tiburius genannt hatte, so thut er es jezt nicht mehr, sondern sagt immer: »Mein Freund Theodor.«
    Auch seine Gattin, die dem Herrn Tiburius zur Zeit seiner Narrheit besonders gram gewesen war, schäzt und achtet ihn jezt bedeutend: Maria aber wird von ihr auf das Herzlichste und Innigste geliebt, und liebt sie wieder.
    Mit dem treuen reinen Verstande, der dem Erdbeermädchen eigen gewesen war, fand sie sich schnell in ihr Verhältniß, daß man sie in ihm geboren erachtete, und mit ihrer naiven klaren Kraft, dem Erbtheile des Waldes, ist ihr Hauswesen blank, lachend und heiter geworden, wie ein Werk aus einem einzigen, schönen und untadelhaften Guße.
    Tiburius ist nicht der erste, der sein Weib aus dem Bauernstande genommen hatte, aber nicht alle mochten so gut gefahren
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