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Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget
Autoren: Petra Tessendorf
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schwerfällig ins Wasser und spritzte die beiden von Kopf bis Fuß nass. Thorvald fluchte erst, musste dann aber lachen. Olga sprang wütend auf, das weiße Kleid war voller brauner Punkte.
    »Welcher Idiot war das?«, schrie sie und suchte das Dickicht des gegenüberliegenden Hanges ab. Knackende Äste waren zu hören. Und dann tauchten Benno und Hanna kichernd aus den Büschen auf und hockten sich auf die großen Steine am anderen Ufer des Baches.
    »Entschuldigung«, sagte Benno immer noch lachend. »Ich habe nicht damit gerechnet, dass der so schnell wird und dass es hier so tief ist.«
    »Sieh mal, mein Kleid, so kann ich unmöglich zurück ins ›Luis‹«, rief Olga sauer.
    Benno hatte inzwischen auch die Füße im Wasser und schüttelte den Kopf. »Die sind inzwischen alle nicht mehr nüchtern, das fällt sowieso nicht auf. Apropos, habt ihr noch was zu trinken?«
    »Für dich nicht«, rief Olga immer noch verärgert und zupfte an dem nassen Kleid. »Ich muss mir was anderes anziehen. Ich habe was zum Wechseln mit.«
    Hanna stand auf. »Ich hol dir die Sachen.« Unsanft zog sie Benno auf die Füße. »Und du kommst mit!«
    Als die beiden davongestolpert waren, merkte Olga erst, wie angenehm kühl es in dem nassen Kleid war.
    »Die beiden haben sich überhaupt nicht verändert«, sagte Thorvald, der ihnen nachschaute, bis sie hinter der Wegbiegung verschwunden waren.
    »Aber sie sind nicht mehr zusammen«, erwiderte Olga.
    »Wie bitte?« Thorvald starrte sie an. Er konnte sich für Benno keine andere Frau und für Hanna keinen anderen Mann vorstellen. Unmöglich!
    »Die sind doch schon seit der Schulzeit zusammen. Benno hat mir gar nichts davon erzählt. Und sie haben sich benommen wie immer.«
    »Hanna ist mit Luis zusammen. Ich glaube, sie haben vor kurzem geheiratet«, entgegnete Olga.
    »Luis?«, fragte Thorvald erstaunt. »Was will Hanna denn mit dem?«
    Er dachte nach. »Weiß Benno davon?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Olga. »Hanna trägt keinen Ehering, nur Luis.«
    »Warum müssen sich Frauen wie Hanna immer Männer wie Luis aussuchen? Er ist hinter den Frauen her wie   …«
    »Ich hab’s ja immer gesagt. Er ist wie du.«
    »Moment mal, Luis ist eine Bohnenstange, ist bestimmt schon über fünfzig und hat einen Frauenverschleiß, von dem ich nur träumen kann.«
    »Woher weißt du das?«, fragte Olga trocken.
    »Der ist ein Zyniker. Das war er doch damals schon. Er macht eine Frau nach der anderen an, und wenn sie endlich auf seiner Bettkante sitzt, hat er bereits das Interesse verloren und hält nach der nächsten Ausschau.«
    Olga zuckte die Schultern. »Jetzt übertreib mal nicht. Luis Sander ist ein Charmeur. Er sieht gut aus, ist witzig   …« Olga stand auf und sah sich um. »Und er lebt hier, wie Hanna. Luis mit seinem Lokal und Hanna mit ihrer Praxis, sie haben hier Wurzeln geschlagen. Das passt doch.«
    Die Dämmerung senkte sich allmählich auf die Umgebung und ließ die Bäume noch enger zusammenrücken.
    »…   und er muss eine Granate sein.«
    »Ach ja? Bei was denn?«
    »…   in der Küche.«
     
    Im »Luis« war man zum heiteren Beruferaten übergegangen. Die Wissenden sollten sich zurückhalten, die Unwissenden mussten ein kurzes Psychogramm des Mitschülers erstellen und daraus den passenden Beruf herleiten.
    Bei Thorvald war allerdings nicht schwer zu erraten, dass er Opernsänger geworden war. Denn wer auch nur am Rande mit dieser Szene in Berührung kam, hatte schon von ihm gehört. Thorvald Einarsson, der isländische Tenor, der Sänger mit der kraftvollen Stimme und dem endlosen Atem.
    Dass Benno die Liebe zur Kunst von seinem Vater Konrad geerbt hatte, wussten die meisten ebenfalls. Nur hatte der Sohn den direkten Weg gewählt und sich gleich nachdem Abitur dem Studium der Kunst und ihrer Geschichte gewidmet. Vor allem sein Vater freute sich darüber, dass Benno als Kurator des Museums in der nahen Stadt arbeitete, konnte er so doch regelmäßig bei einem guten Glas Rotwein mit seinem einzigen Sohn über dessen Arbeit, die Malerei überhaupt und die eigenen Arbeiten fachsimpeln.
    Auch von Hanna von Nahmens kleiner Landpraxis wussten die ehemaligen Mitschüler. Sie hatte einen hervorragenden Ruf als Ärztin, die Patienten schienen ihr zu vertrauen.
    Inzwischen hatte Olga sich ein anderes Kleid angezogen und war ins »Luis« zurückgekehrt. Sie ging zu dem Grüppchen, das sich um Ines Sadur versammelt hatte. Diese schüttelte gerade lachend den Kopf, weil ihr jemand den
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