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Der Wald: Roman

Der Wald: Roman

Titel: Der Wald: Roman
Autoren: Richard Laymon
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Schulter gerutscht. »Meine Güte, Süße, wie spät ist es?«
    »Mitten in der Nacht«, sagte Karen.
    »Sag mal, nennst du das wirklich Urlaub?«
    »Aber sicher.«
    »Ja, das hab ich mir gedacht.« Sie warf sich in einen Sessel, hängte ein Bein über die gepolsterte Armlehne und streckte sich nach einem Päckchen Zigaretten. »Wann holt er dich ab?«
    »Um halb sechs.«
    »Wahnsinn. Soll ich dir einen Kaffee kochen?«
    »Ich will nicht ständig pinkeln müssen.«
    »Scheiße. Mit den ganzen Kindern im Auto müsst ihr sowieso alle fünf Minuten anhalten.« Sie zündete sich eine Zigarette an.
    »Sie sind eigentlich keine Kinder mehr«, sagte Karen. »Julie ist sechzehn. Benny ist dreizehn oder vierzehn.«
    »Noch schlimmer. Verdammt, du kannst dich auf was gefasst machen.«
    »Sie sind in Ordnung.« Karen lehnte den Rucksack gegen das Sofa und stopfte ihren Schlafsack hinein.
    »Und wer ist diese andere Familie?«
    »Die Gordons. Ich hab sie auch noch nie gesehen.«
    »Haben die auch Kinder?«
    »Drei.«
    »Du wirst dich bestimmt prächtig amüsieren. Hoffentlich hast du nicht vor, mit dem Typen ins Bett zu steigen.«
    »Mal sehen.« Karen schnallte den Rucksack zu, trug ihn zur Haustür und lehnte ihn dort an die Wand.
    »Das klingt nach einer Menge Spaß. Ich wünschte, ich könnte mitkommen.«
    »Du warst eingeladen.«
    »Hör bloß auf. Einen Campingausflug brauche ich ungefähr so dringend wie eine dritte Titte.«
    Karen ließ sich aufs Sofa sinken und begann, ihre Wanderstiefel zu schnüren. Es waren abgenutzte und zerkratzte Schuhe von Pivetta. Sie hatten seit ihrer Magisterprüfung vor vier Jahren ungetragen hinten im Wandschrank gestanden, aber sie waren bequem und fühlten sich so vertraut an wie gute alte Freunde, die Geschichten von staubigen Serpentinen, dem kalten Wind der Bergpässe, einsamen Seen, eisigen Flüssen und dem Rauch der Lagerfeuer erzählten. Karen band die Schnürsenkel zu und schlug sich auf die nackten Knie. »Das wird klasse.«
    »Du bist eine Masochistin«, sagte Meg, während sie ihre Zigarette ausdrückte.
    »Du hast keine Ahnung, was du verpasst.«
    »Doch, allerdings. Zeit fürs Bett.« Sie stemmte sich aus dem Sessel hoch, gähnte und dehnte sich. »Also, amüsier dich gut, falls du es schaffst.«
    »Klar. Bis nächsten Sonntag.«
    »Grüß mir die Streifenhörnchen.« Sie wackelte mit den Fingern, drehte sich um und ging hinaus.
    Karen warf einen Blick auf die Armbanduhr. Fünf Uhr achtundzwanzig. Sie lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. Ihre karierte Bluse stand am Bauch weit offen. Sie schloss den Knopf und überprüfte den Reißverschluss ihrer abgeschnittenen Cordhose. Alles in Ordnung. Sie gähnte. Vielleicht hätte sie Megs Angebot den Kaffee betreffend annehmen sollen. Sie atmete tief ein, und eine leichte, angenehme Müdigkeit breitete sich in ihrem Körper aus. Dann atmete sie mit geschlossenen Augen langsam aus.
    Eine ganze Woche mit Scott in den Bergen. Kinder hin oder her, es würde herrlich werden. Sie würden Zeit finden, miteinander allein zu sein, wenn auch nur nachts. Es würde kalt sein, und sie würden sich aneinanderschmiegen, während der Wind gegen die Zeltwände blies …
    Das Läuten der Klingel riss sie aus dem Schlaf. Sie sprang vom Sofa auf, eilte zur Tür und öffnete.
    Scott stand unter der Verandalampe und lächelte sie durch das Fliegengitter an.
    »Nimm deinen Wachturm und schieb ab.« Karen schloss die Tür. Als sie wieder aufmachte, hatte er sein Gesicht gegen das Gitter gepresst.
    »Ich will dich vernaschen«, flüsterte er.
    Einen Moment lang wirkte er wegen des zusammengepressten Gesichts wie ein Fremder. Karen spürte einen Kitzel der Angst. Dann trat er zurück und war wieder der freundlich lächelnde Scott. »Bist du startklar?«, fragte er.
    »Ja.« Beim Öffnen des Fliegengitters beugte sie sich hinaus und warf einen Blick auf seinen Wagen in der Einfahrt. »Sind die Kinder da drin?«, fragte sie.
    »Das war nicht einfach. Julie aus dem Bett zu holen, war der reinste Horror. Benny konnte es kaum erwarten loszufahren. Ich bin nicht sicher, ob er überhaupt geschlafen hat. Dann fiel ihm ein, dass wir unmöglich ohne seinen Feldstecher fahren konnten, aber wir wussten nicht, wo das verdammte Ding rumlag.«
    »Habt ihr es noch gefunden?«
    »Ja, aber deshalb sind wir so spät dran.«
    »Ich verzeihe euch.«
    »Danke.« Scott nahm sie in die Arme. Er roch nach Kaffee und Aftershave. Mit seinen Lippen auf ihrem Mund fühlte sie
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