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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens
Autoren: Reginald Hill
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hervorgerufen, daß er lange und fortwährend den Gefahren an der Front ausgesetzt war, fühlte sich für den Tod des Feldwebels verantwortlich und war zutiefst schockiert durch die Anschuldigungen, die während des Kriegsgerichtsverfahrens gegen ihn erhoben worden waren, obwohl ich gehört habe, daß alle seine anderen Leute oder Offizierskameraden sein Verhalten unter Feuer hoch gelobt haben. Ich beruhigte ihn, und als es Zeit war, nach Hause zu fahren, gingen wir zu meinem Auto. Da wir einander noch viel zu sagen hatten, schritten wir die Auffahrt hinunter, um in der frostigen Nacht das Blut in Bewegung zu halten. Da wurden wir einer Gestalt gewahr, die sich uns näherte. Als sie im Mondlicht erkennbar wurde, sah ich, daß es Stephen Pascoe war, der vor dem Krieg bei mir angestellt gewesen war. Er trug einen Mantel über seiner Soldatenuniform. Ich hatte den Eindruck, daß er getrunken hatte. Sobald er meines Sohnes ansichtig wurde, rief er: »Grindal, da bist du ja! Dich suche ich! Mein Vetter hat mir gesagt, was sich da draußen wirklich abgespielt hat, und ich werde noch andere Jungs finden, die die wahre Geschichte bestätigen, wenn alles vorbei ist, das sage ich dir. Und bis es soweit ist, untersteh dich, Briefe an Peters Frau zu schreiben. Witwe, meine ich, denn das hast du aus ihr gemacht. Und was dein dreckiges Geld anlangt …«, und mit diesen Worten warf er Bertie eine Lederbörse ins Gesicht und eilte, beide Hände ausgestreckt, auf ihn zu, wie um ihn zu erwürgen. Ich versuchte einzugreifen und wurde für meine Mühe weggestoßen. Während ich noch auf dem Boden lag, sah ich, wie Pascoe Bertie packte, dann drehten sich beide um und liefen die Auffahrt hinunter in Richtung der Bäume, und dort verfing sich einer mit dem Fuß in einer Wurzel, und beide fielen ineinander verschlungen zu Boden. Aber nur Bertie stand wieder auf.
    Er half mir auf die Füße, und ich untersuchte Pascoe. Sein Kopf war auf einer scharfen Steinkante gelandet, die aus der Erde hervorragte, und er atmete nicht mehr.
    Bertie war nicht in der Lage, Entschlüsse zu fassen, also handelte ich an seiner Stelle. Was nun geschah, ist meine alleinige Entscheidung und Verantwortung. Zusammen hoben wir den Körper auf und trugen ihn in den Wald. Dort stand ein alter Eiskeller, fast vollständig unter der Erde und im Unterholz versteckt. Er war ursprünglich für das alte Herrenhaus gebaut worden, wird aber schon lange nicht mehr genutzt. Dort hinein legten wir den Leichnam. Dann begleitete ich Bertie zurück zum Krankenhaus, wo ich der Schwester sagte, daß sich die nervliche Verfassung meines Sohnes verschlechtert habe, und sie gab ihm einen Schlaftrunk. Danach machte ich mich auf den Weg nach Hause und sah im Licht meiner Scheinwerfer die Börse auf der Auffahrt liegen. Ich hielt an, hob sie auf und hatte dabei den Einfall, wie ich die Behörden von Stephen Pascoes Spur abbringen konnte, wenn sie nach dem Vermißten fahndeten. Ich ging zum Eiskeller, zog der Leiche die Uniform aus und nahm alle Ausweise an mich. Die Börse mit den Goldmünzen warf ich neben den Toten. Die Kleidung legte ich in mein Auto, und zwei Tage später, als ich geschäftlich in Liverpool zu tun hatte, deponierte ich sie im Bahnhof, damit sie später dort gefunden würde.
    Ich mache diese Aussage, weil im Falle meines Todes und der Entdeckung der Leiche Stephen Pascoes die Möglichkeit besteht, daß mein Sohn aufgrund seiner nervlichen Verfassung eine falsche oder unvollständige Schilderung der Ereignisse gibt und sich dadurch einer Anzeige – vielleicht sogar wegen Mordes – aussetzen könnte. Ich möchte ganz klarmachen, daß Bertie, abgesehen davon, daß er mir beim Verstecken der Leiche geholfen hat, kein Gesetz gebrochen hat (er hat meinem Befehl auch nur deshalb gehorcht, weil er nicht in der Verfassung war, sich zu widersetzen).
    Ich hegte und hege noch immer die Befürchtung, daß für den Fall, daß meines Sohnes Rolle beim zufälligen Tod Pascoes ans Tageslicht käme, Gerüchte über sein Verhalten als Offizier in dem vergangenen Feldzug in Flandern wieder aufflackern und zu falschen Beschuldigungen gegen ihn und vielleicht anhaltender nervlicher Schwäche bei ihm führen könnten.
    Nichts in diesem Brief und auch kein Beitrag, den ich zum Unterhalt der Familie Feldwebel Pascoes geleistet habe oder leisten werde, stellt die Anerkennung einer Rechtsverpflichtung gegenüber besagter Familie dar und auch kein Schuldeingeständnis hinsichtlich meines
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