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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter
Autoren: Dean R. Koontz
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Typhon. »Soweit ich mich erinnern kann – und ich habe ein gutes Gedächtnis –, war ich noch nie so ausgehungert. Einen regelrechten Wolfshunger habe ich.«
    Dunny scheut sich davor nachzudenken, was das bedeuten könnte. Inzwischen ist es ihm allerdings auch gleichgültig. »Was immer kommt, ich habe es verdient«, sagt er, während die Gesichter aus seinem Leben ihn noch immer verfolgen, unzählige Gesichter.
    »Bald«, sagt Typhon.
    Mit gesenktem Kopf steht Dunny da und blickt auf den Boden, von dem sein Körper längst verschwunden ist. Er ist bereit, jede beliebige Folter auf sich zu nehmen, wenn sie nur ein Ende dieser unerträglichen Qual, dieser nagenden Gewissensbisse bedeutet.
    »So schrecklich es sein wird«, sagt Typhon, »es wäre für dich vielleicht genauso schrecklich gewesen, wenn du mein Angebot abgelehnt und dich entschieden hättest, tausend Jahre im Fegefeuer zu warten, bevor du … hinaufkommst. Du warst nicht bereit, direkt ins Licht zu gehen. Der Pakt, den du mit mir geschlossen hast, hat dir viel stumpfsinniges Warten erspart.«
    Der Aufzug wird langsamer und hält an. Ein Ping !signalisiert die Ankunft, als wären sie zu keinem exotischeren Ort unterwegs als zu ihrem Arbeitsplatz in einem Bürogebäude.
    Als die Tür sich öffnet, kommt jemand herein, aber Dunny vermeidet es, den Kopf zu heben, um sich den Neuankömmling anzusehen. Nun ist in ihm Raum für Entsetzen, obgleich er noch nicht davon beherrscht wird.
    Beim Anblick der Person, die den Aufzug betreten hat, stößt Typhon einen grausigen Fluch aus. Trotz des unmenschlichen Zorns, der darin liegt, ist seine Stimme zwar noch als solche erkennbar, hat ihren früheren Humor und Charme aber vollständig verloren. Typhon tritt vor Dunny und sagt mit vernichtender Bitterkeit: »Wir haben einen Pakt. Du hast mir deine Seele verkauft, Junge, und ich habe dir mehr dafür gegeben, als du erbeten hast.«
    Durch seinen stärkeren Willen, durch die schreckliche Kraft, die ihm zu Gebote steht, zwingt Typhon nun Dunny, ihn anzuschauen.
    Dieses Gesicht.
    Oh, dieses Gesicht . Dieses Gesicht aus zehntausend destillierten Albträumen. Dieses Gesicht, das kein Sterblicher sich je vorstellen könnte. Wäre Dunny noch am Leben, so hätte der Anblick dieses Gesichts ihn augenblicklich getötet, nun lässt es stattdessen seinen Geist verdorren.
    »Du hast darum gebeten, Truman retten zu dürfen, und das hast du getan«, sagt Typhon mit einer Stimme, die mit jedem Wort kehliger und hasserfüllter wird. »Als Schutzengel hast du dich bezeichnet. Dunkler Engel wäre der Wahrheit näher gekommen! Nur um Truman hast du gebeten, aber ich habe dir auch noch das Balg und Yancy geschenkt. Du bist wie die Hollywoodlaffen in dieser Hotel-bar, wie der Politiker und seine Handlanger, die ich mir in San Francisco geangelt habe. Ihr meint alle, ihr seid schlau genug, um euch aus den mit mir geschlossenen Verträgen fortzuschleichen, wenn es an der Zeit ist, die Schulden einzulösen, aber am Ende zahlt ihr doch alle. Hier wird kein Pakt gebrochen !«
    »Hinweg!«, sagt die neu angekommene Person.
    Dunny hat sie sich immer noch nicht angeschaut. Wenn es einen schlimmeren Anblick gibt als das, wozu Typhon nun geworden ist – und bestimmt wird es eine unendliche Reihe immer schlimmerer Anblicke geben –, dann wird er sich ihnen nicht freiwillig aussetzen, sondern nur gezwungenermaßen, so wie Typhon ihn soeben gezwungen hat.
    » Hinweg !«, wiederholt die Stimme, diesmal eindringlicher.
    Typhon tritt aus dem Aufzug, aber als Dunny ihm zu dem Schicksal folgen will, das er verdient und hingenommen hat, da schließt die Tür sich und hält ihn auf. Er ist nun allein mit dem neuen Fahrgast.
    Der Aufzug setzt sich wieder in Bewegung, und Dunny zittert bei dem Gedanken, dass es noch tiefere Bereiche geben könnte als den Abgrund, in den Typhon soeben getreten ist.
    »Ich kann verstehen, was du durchmachst«, sagt der Neuankömmling und wiederholt damit den Satz, den zuvor schon Typhon ausgesprochen hat, als sie den Palazzo Rospo hinter sich gelassen haben, um zu noch seltsameren Orten aufzubrechen.
    Als die Stimme nur jenes eine Wort – Hinweg ! – gesprochen hat, da hat Dunny sie nicht erkannt. Nun tut er es. Er weiß, dass dies ein Trick sein muss, um ihn zu foltern, weshalb er sich weigert, den Blick zu heben.
    Wieder die Stimme. »Du hast Recht, dass das Wort Beschämung nicht die Pein ausdrücken kann, die dich überkommen hat und die so schmerzhaft an dir zerrt.
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