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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter
Autoren: Dean R. Koontz
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waren, als Dunny eigentlich in tiefem Koma gelegen hatte.
    »In diesen Stunden vor meinem Tod«, fuhr Dunny fort, »hat Typhon mir das Schicksal meines besten Freundes offenbart. Das bist du, Ethan. Trotz all der Jahre, die wir verloren haben, und trotz der vielen falschen Wege, die ich gegangen bin, bist du das immer geblieben. Mein Freund … Hannahs Mann. Typhon hat mir gezeigt, wann, wo und wie du von Rolf Reynerd erschossen werden würdest, nämlich in diesem schwarz-weißen Zimmer mit all den Vögeln. Da hatte ich furchtbare Angst um dich … und habe um dich getrauert.«
    An mehreren Punkten hatte das EEG extrem unruhige Betawellen aufgezeichnet, die laut Dr. O’Brien die Gehirnaktivität eines von Angst ergriffenen Menschen darstellten. Andere Passagen hatten auf ein Gespräch hingewiesen.
    »Man hat mir ein Angebot gemacht«, sagte Dunny.
    »Ich habe die Chance erhalten, dein … der Beschützer zu sein, den du in den letzten beiden Tagen brauchtest. Mit den Kräften, die mir für diese kurze Aufgabe verliehen wurden, konnte ich unter anderem die Zeit zurückdrehen.«
    Wenn jemand vor einem steht, der behauptet, er könne die Zeit zurückdrehen, und man ihm sofort glaubt; und wenn man außerdem mit äußerst schnell abklingender Verblüffung akzeptiert, dass jener im Regen trocken bleibt, dann hat man sich für immer verändert – wahrscheinlich zum Besseren, selbst wenn man das Gefühl hat, den Boden unter den Füßen zu verlieren, als wäre man in ein Kaninchenloch gefallen, das tiefer und seltsamer war als alles, was Alice je geträumt hat.
    »Ich habe beschlossen, dich dein vorgesehenes Schicksal erleben zu lassen – den Tod in Reynerds Apartment –, um dich dann in die Minuten davor zurückzuholen. Das war dazu gedacht, dir eine Scheißangst einzujagen und dir den nötigen Biss einzuimpfen, den du brauchtest, um den Rest durchzustehen – und um den Jungen da durchzubringen.«
    Dunny lächelte Fric zu und hob eine Augenbraue, als wisse er, was der Junge nun Wichtiges zu sagen hatte.
    Körperlich noch elend schwach, aber geistig wieder quicklebendig, sagte Fric zu Ethan: »Wahrscheinlich wundern Sie sich, dass Engel ›Scheiße‹ sagen können. Ich hab mich auch gewundert. Aber schließlich steht es ja im Wörterbuch, stimmt’s?«
    Ethan erinnerte sich an den Moment, in dem er in der Bibliothek mit Fric gesprochen und ihm gesagt hatte, dass alle ihn mochten. Ungläubig und verwirrt, wie er war, hatte der zutiefst bescheidene Junge zuerst kein Wort herausgebracht.
    An dem Weihnachtsbaum hinter Fric aber hatten die Engel genickt, getanzt und sich gedreht, obwohl kein Luftzug gegangen war. Da war Ethan von einer seltsamen Erwartung ergriffen worden, von dem Gefühl, in seinem Herzen könnte sich eine Tür des Verstehens auftun. In jener Minute war das nicht geschehen, aber nun stand sie weit offen.
    Dunny sieht, wie sein Freund den Jungen auf dem Schoß und in den Armen hält, und er sieht, dass der Junge sich so fest an Ethan klammert, wie er nur kann, aber er sieht noch weit mehr als die Verwunderung der beiden über seine übersinnliche Existenz und ihre Erleichterung darüber, noch am Leben zu sein. Er sieht einen Ersatzvater und den Sohn, den dieser inoffiziell adoptieren wird; er sieht zwei Leben, denen durch das tiefe Bekenntnis zueinander die frühere Verzweiflung genommen wird; er sieht die Jahre vor ihnen, erfüllt mit Freude, wie nur selbstlose Liebe sie erzeugen kann, aber auch mit dem Kummer des Alltags, den am Ende nur Liebe heilen kann. Und Dunny weiß, dass das, was er hier getan hat, das Beste und Anständigste ist, was er je getan hat und, ironischerweise, jemals tun wird.
    »Aber der Chrysler, der Lastwagen …«, sagt Ethan.
    »Du bist ein zweites Mal gestorben«, sagt Dunny, »weil das Schicksal versucht, dem Plan Geltung zu verschaffen, der ursprünglich vorgesehen war. Dein Tod in Reynerds Wohnung ist durch deinen freien Willen zustande gekommen, durch die Entscheidungen, die du getroffen hast. Indem ich die Zeit zurückgedreht hatte, habe ich dein selbst geschaffenes Schicksal durchkreuzt. Das brauchst du nicht ganz zu verstehen, und das wirst du auch nicht können. Verlass dich nur darauf, dass das Schicksal diesen Plan nicht mehr durchsetzen wird. Durch deine Entscheidungen und dein Handeln hast du dir jetzt ein anderes Schicksal erschaffen.«
    »Die Glöckchen aus dem Rettungswagen«, sagt Ethan fragend, »und die ganzen Spielchen damit …«
    Dunny lächelt Fric zu. »Wie
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