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Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Titel: Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)
Autoren: Günter W. Hohenester
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er sich eifrig. »Sie wird mir beim Sammeln der Heilpflanzen helfen, die ich als Schamane zum Heilen der Kranken brauche. Homöopatha hat ihr genug darüber beigebracht. Sie wird mir sehr nützlich sein.« Selbstgefällig wischte er die Hände an seinem Brustfell ab. »Sehr nützlich.«
    Nützlich. Die, in der ich den verlorenen Teil meiner Seele wiedergefunden glaubte, wollte er auf sein Felllager zerren, weil sie ihm nützlich sein würde. Ich war entsetzt. Was bildete dieser Kerl sich ein? Meine Yrsig, dieses wundervolle Wesen aus Licht und Musik, das ich auf der Waldlichtung beobachtet hatte, auf seinem Felllager und ihm. Nützlich?!? Ihm, der niemals ein richtiger Schamane sein würde, ihm nützlich?!?
    Ich hätte am liebsten alles vergessen, was die gute Sitte gebot und wäre ihm mit einem wilden Schrei an die Kehle gesprungen, wenn nicht plötzlich Canibalouis mit abwägender Stimme gesagt hätte:
     »Also ich finde schon: Sie ist zu dünn. Mein lieber Fanut, du solltest dir wirklich noch einmal überlegen, ob du sie auf dein Felllager zerren willst.«
    Meine Wut ließ nach. Ich entspannte mich. Ich stimmte ihm zu.
    »Ja«, sagte ich, »du solltest wirklich noch einmal darüber nachdenken.« In zwei Monden konnte ja noch einiges passieren, dachte ich dabei. Dann erfasste mich neuer Schrecken. Wie kam dieser Mensch überhaupt dazu, zu glauben sie würde sich auf sein Felllager zerren lassen? Hatte sie ihm Hoffnung gemacht? Oder waren sie sich sogar schon einig? Ich wollte und konnte es nicht glauben. Aber es war nicht auszuschließen. Mir war als drehte sich alles um mich herum im Kreise.
    Zu Fanut sagte ich:
    »Du solltest wirklich noch einmal darüber nachdenken.«
    Dann verabschiedete ich mich schnell von den Beiden, um meine verwirrten Gefühle zu verbergen.
    Wie blind lief ich durch den lichten Birkenwald. Das schreckliche Bild des Fanut mit Yrsig auf seinem Felllager ließ mich nicht los. Ich rannte ziellos weiter und weiter. Unbewusst folgte ich dabei dem Krächzen eines Raben, das in immer gleichem Abstand vor mir erklang. Auf einer sonnenbeschienenen Wiese, die durch einen kleinen gluckernden Bach geteilt wurde, kam ich wieder zu mir. Der Vogel des Od saß fünf Speerwurflängen entfernt auf einem hohen abgestorbenen Baum, der die Birken am anderen Ufer überragte. Ich roch das Gras und fühlte die Sonne auf meinem Rücken. Ich war etwas müde und schlurfte mehr, als dass ich ging, in Richtung auf den Baum des Vogels zu. Kurz vor dem Bach umrundete ich ein kleines Gebüsch.
    Dann sah ich sie.
    Sie saß auf Knien am anderen Ufer und strich sich mit erhobenem Kopf das Haar nach hinten. Sie war es wirklich. Wärme durchflutete meinen ganzen Körper. Ich stand still und starrte sie schweigend an. Sie entdeckte mich. Sie ließ die Hände sinken. Sie sah mich fast schelmisch von der Seite an.
    »Da bist du endlich«, sagte sie.
    Ich brachte keinen Ton heraus.
    »Ich habe auf dich gewartet. Komm herüber. Ich habe Beeren für uns.«
    War das Traum oder Wirklichkeit? In meinen Gedanken hatte ich sie gerade noch mit dem widerlichen Fanut auf seinem Felllager gesehen. Und jetzt saß sie leibhaftig vor mir im Gras.
    Wie ein Schlafwandler ging ich vorwärts und watete, statt zu springen, durch das Bächlein zu ihr hinüber. Sie presste die Hand zwischen die Knie und bog sich leise lachend vor und zurück.
    »Bist du schon so lange unterwegs, dass du nicht mehr springen kannst?«
    Ich schaute an mir herunter und sah, dass meine Beine bis zum Knie nass waren. Auf der Erde zwischen den Grashalmen unter meinen Füßen bildete sich eine dunkle Pfütze. Eigentlich hätte ich jetzt verlegen sein müssen, aber ihr Spott berührte mich nicht. Ich roch nur den Geruch der Blüten und der sonnenwarmen Haut, der von ihr aufstieg. Ich fühlte die schmerzliche Süße ihrer Nähe und hörte auf den zauberhaften Klang ihrer Stimme. Langsam hockte ich mich vor ihr nieder.
    »Nimm«, sagte sie und schob mir ein Körbchen mit Beeren zu.
    Ich hatte sie gefunden. Sie war es. In ihr verbarg sich der verloren gewesene Teil meiner Seele.
    Sie sah mich prüfend an.
    Ich musste etwas sagen. Sie runzelte ihre hohe Stirn. Eine Locke fiel über ihr linkes Auge. Sie blies sie zur Seite.
    »Ich habe dich gefunden«, sagte ich.
    »Ja.« Es klang endgültig. Es war ein Aufatmen, ein frohes sich Ergeben, ein Gelübde. Es lagen Hingabe und Erleichterung in diesem kleinen Wort. Sie lächelte wieder.
    Wir waren eins.
    Nach einer Weile griffen wir
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