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Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Titel: Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)
Autoren: Günter W. Hohenester
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Rasse«, sagte der, der vor dem Schlammbärtigen saß, ohne sich umzudrehen und hielt dem Schlammbärtigen einen weißen Stein vors Gesicht. Die anderen Kinder in der Runde sahen mich mit großen Augen an, als ich schweigend weiterging.
    »Das war er«, hörte ich sie hinter mir flüstern. »Das war er selbst. Das war Asfa«
    Ich kam bei den Wohnstätten an.
    Am Platz des großen Feuers saß Hakalim mit den Blumen in den Ohren. Er hielt mir einen weißen Stein entgegen. Als ich genauer hinsah, erkannte ich einen Pilz darauf.
    Auf der Berghöhe begrüßte mich der Gebrechliche. Er saß vor seiner Höhle in der Sonne und blinzelte mich freundlich an.
    »Du ziehst jetzt ein?«
    »Ja.«
    »Da werden wir bald Besuch bekommen. Ojun hält es nicht lange aus, ohne einen Spielpartner.«
    Er hatte recht. Ojun kam am nächsten Tag in den Ort. Nur war der Grund seines Besuchs ein anderer.
    Ich sah mir meine Höhle noch einmal genauer an. Dabei entdeckte ich im hinteren Teil die Reste einer alten Feuerstelle. Über dem verkohlten Fleck auf dem Boden zog sich eine schwarze Ruß-Spur an der Wand empor und verschwand in einer schmalen Spalte im Felsen. Ich schien einen Kamin gefunden zu haben. Wenn das stimmte, dann hatte mir der gebrechliche Alte ein Juwel von einer Winterbehausung geschenkt. Mein Herz war voller Freude und Dankbarkeit. Sofort machte ich mich daran, meine Entdeckung zu überprüfen. Ich suchte an Reisig und Ästen zusammen, was ich in der Nähe der Höhle greifen konnte, und zündete ein kleines Feuerchen unter dem vermeintlichen Kamin an. Es funktionierte! Der Rauch stieg senkrecht nach oben. Kein Qualm breitete sich im Innenraum aus. Ich kuschelte mich neben dem Feuer in meine Felle und schlummerte traumlos in den Morgen.
    Gerade zeigte sich der frühe Himmel als heller Fleck im Höhleneingang, da wurde ich von einem hohen schrillen Schrei und dem aufgeregten Gezeter einer Weiberstimme geweckt. Ich befreite mich aus meinen Fellen und bewegte mich fröstelnd zum Höhleneingang. Der Platz des großen Feuers unter mir lag noch im nächtlichen Schatten. Ich rieb meine schlafmüden Augen und kämpfte gegen die Dunkelheit an. Es war kaum etwas zu sehen. Zu hören gab es dafür umso mehr.
    »Holt Ojun, schnell, er kann den Arm nicht mehr bewegen!« Und im gleichen Atemzug: »Du dummer Junge, hab ich dir nicht gesagt, du sollst nicht auf den verdorrten Ästen herumturnen. Das hast du jetzt davon.« Und sogleich wieder zärtlich und besorgt: »Tut es denn sehr weh? Kannst du den Arm wirklich nicht mehr bewegen?« Dann aufgeregt kreischend: »Wann geht denn endlich einer von euch Schlafmützen den Schamanen holen?«
    Ich rannte den schmalen Steig hinab, um herauszufinden, was geschehen war. Am letzen hohen Baum vor dem Platz hatte sich ein Knäuel von Menschen gebildet. Ich drängte mich zwischen sie. Sie standen im Kreis um einen kleinen Jungen herum, der im taufeuchten Gras saß und erschrocken auf die Umstehenden starrte, wobei er mit der rechten Hand den linken Arm fest an sich drückte. Ein Weib mit zerzauster Frisur und flüchtig über die Schultern geworfenem Fellmantel stand daneben.
    Auf der anderen Seite stieß ein Mann die Umstehenden beiseite. »Lasst mich durch«, hörte ich ihn rufen. »so lasst mich doch vorbei. Ich bin der Schamane.« Die Stimme kam mir bekannt vor, aber es war nicht Ojun. Dann erkannte ich ihn. Es war Fanut, der sich gerade zu dem kleinen Jungen hinabbeugte. Der blickte ängstlich zu ihm empor.
    »Was ist mit deinem Arm?« Fanut fasste den Kleinen vorsichtig an der Schulter. Der zuckte zusammen und fing an zu weinen.
    »Er ist vom Baum gefallen.«
    Die Frau mit der zerzausten Frisur mischte sich ein. »Wie oft habe ich dir gesagt, dass du nicht so hoch auf den Baum klettern sollst?!«
    Der Junge duckte sich.
    »Das musste ja so kommen. Oh mein Od, oh mein Od. Wenn nur Ojun endlich kommen würde.«
    »Den brauchen wir nicht. Ich mache das. Ich bin auch Schamane.« Fanut stampfte auf den Boden.
    »Aber du bist kein richtiger Schamane.«
    Fanut und die Frau starrten sich ins Gesicht. Der Junge hatte aufgehört zu weinen und hob den Kopf.
    »Nun lass es ihn doch versuchen«, murmelte einer der Umstehenden.
    »Bis Ojun hier ist, kann es noch lange dauern.«
    Die Frau war verunsichert.
    »Na gut«, gab sie dann zögernd nach.
    Fanut wandte sich nun ganz dem Jungen zu. Er schob ihm das Blatt einer Pflanze in den Mund.
    »Ess das«, sagte er. »Es wird dir gegen die Schmerzen helfen.«
    Der Junge
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