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Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Titel: Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)
Autoren: Günter W. Hohenester
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Bergkette, deren Gipfel mit ewigem Schnee bedeckt waren. Ich sah empor und fühlte, wie klein ich war. Dann zwang mich etwas, hinaufzusteigen. Ein Einschnitt zwischen zwei steilen Felszacken zog mich an. Es dauerte von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, bis ich dort anlangte. Meine Beine waren zerkratzt. Beim Überqueren eines steilen Hanges in einem Kiefernwald war ich auf dem glatten Boden zu Fall gekommen. Meine Arme juckten von den vielen kleinen Wunden, die mir die Nadeln dabei gestochen hatten. Das letzte Stück des Aufstiegs bestand aus nacktem Fels. Auf allen Vieren kletterte ich hinauf. Die Luft war dünn. Mein Herz schlug hart gegen meine Rippen, als ich endlich den Einschnitt zwischen den Felszacken erreichte.
    Ich kauerte mich nieder und verschnaufte. Dann kroch ich langsam zum Rand des Felsens und lugte hinüber.
    Vor mir lag ein grünes Tal, das auf drei Seiten von hohen Bergen begrenzt wurde. Auf der Mittagsseite öffnete es sich zu einer weiten Ebene mit unterschiedlichem Bewuchs. Mitten im Tal erhob sich ein kleiner Hügel. Auf seiner Kuppe machte ich die Umrisse einer seltsam geformten Fellhütte aus. Vor ihr glaubte ich, das Zeichen des Schamanen zu erkennen. Der hintere Teil des Thales wurde vom Hügel verdeckt.
    Für den Augenblick hatte ich genug gesehen. Ich brachte mich auf meiner Seite der Berge in Sicherheit. Etwas tiefer war ich an einem überhängenden Felsen vorbeigekommen. Dort wollte ich übernachten. Den Abstieg ins Tal wollte ich erst bei Tagesanbruch wagen, um mich dann an die Schamanenhütte heranzupirschen. Eine innere Stimme gab mir Gewissheit, nahe am Ziel meiner Wanderung zu sein.
    Die Nacht oben auf dem Berg war frostig kalt. Ich fror erbärmlich. Einige Male sprang ich auf, um mich zu wärmen. Beim ersten Morgengrauen schwang ich mich über die Felskante und kletterte abwärts. Die Sonne ging hinter dem Berg, den ich abwärts stürmte, auf. Das Tal lag noch in dichtem Nebel. Der Abstieg war schwieriger als ich ihn mir vorgestellt hatte. Einmal rutschte ich auf losem Geröll aus und wäre fast in einen Bach gefallen. Im Fichtenwald darunter war der Boden genauso glitschig wie beim Aufstieg auf der anderen Seite im Kiefernwald. Es zog mir die Beine weg und ich landete auf dem Hintern. Dabei hätte ich beinahe meinen heimlichen Schatz, die sprechenden Steine verloren, denn mein Fellsack hatte sich beim Aufprall geöffnet.
    Ich trat aus dem Wald und kämpfte mich durch schulterhohes nasses Farnkraut. Hier unten war die Sicht besser. Der Nebel war aufgestiegen. Die aufgehende Sonne färbte ihn rot. Das Tal lag immer noch im Schatten. Auf dem Hügel leuchtete ein hellgelber Fleck in der Dunkelheit. Vor der Schamanenhütte brannte ein Feuer. Ich ließ das Feuer nicht aus den Augen und strebte direkt darauf zu. Da durchzuckte mich ein heftiger Schmerz. Ich war mit dem Fuß gegen einen großen Stein getreten und schlug der Länge nach hin. Das Farnkraut schüttete einen Schwall Tauwasser über mir aus.
    »Verdammt!« Das war gar kein Tau. Das war auch keine Erinnerung mehr. Das war das Wasser aus meiner Schweinsblase. Da war kein Tal. Da war kein Farnkraut. Keine Schamanenhütte. Ich lag am Boden vor meiner Erdhöhle. Der Fuß tat mir weh. Die Vögel des Od hüpften flügelschlagend auf den Ästen ihres verdorrten Baumes herum und konnten sich vor lauter schadenfrohem Gekrächze gar nicht mehr beruhigen. Ich warf einen Ast in ihre Richtung. Aber das beeindruckte sie auch nicht weiter. Sie legten nur die Flügel an, steckten die Köpfe zusammen und blickten dann mitleidig und herablassend auf mich herunter.
     

Aufbruch
    Ich sah ein, dass jetzt nicht die rechte Zeit war, zurückzudenken und machte mich an die Arbeit. Der Wassersack musste neu gefüllt werden. Nüsse, Bucheckern, getrocknete Pilze und die essbaren Samen der großen Gräser schüttete ich in kleine Beutel. Das Fell eines jungen Bären rollte ich zusammen. Es sollte mich in kalten Nächten wärmen. Die Speerschleuder und den kurzen Schleuderspeer legte ich zurecht. An ihm wollte ich den Wassersack über die Schulter hängen. Ich packte die wichtigsten meiner Sprechenden Steine ein, suchte zwei der besten Steinmesser aus, einige Angelhaken aus Hirschgeweih, die Harpune aus Mammutzahn und zwei Nadeln aus Knochen. Das Steinbeil und die Eichenholzkeule hatte ich sowieso immer dabei. Was ich sonst noch brauchen würde, hoffte ich unterwegs aufzutreiben. Ich verschloss meine Erdhöhle mit den herumliegenden Steinen. Es war
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