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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein
Autoren: Fred Vargas
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Sie wissen zuviel darüber, um noch auszusteigen, Danglard. Sie hängen doch längst mit drin und werden mitfahren. Nur zu meiner Beruhigung: Sagen Sie mir, daß nicht Sie es waren, der in der Nacht den Heizkessel niedergemacht und den Monteur, der kommen sollte und nicht kommt, auf seinem Weg hierher umgebracht hat.«
    Danglard sah beleidigt auf.
    »Warum sollte ich?«
    »Um unsere Kräfte lahmzulegen und unsere Lust auf Abenteuer einzufrieren.«
    »Sabotage? Wissen Sie, was Sie da sagen?«
    »Eine kleine, harmlose Sabotage. Besser ein defekter Heizkessel als eine explodierende Boeing. Denn das ist doch der wahre Grund Ihrer Verweigerung? Nicht wahr, Capitaine?«
    Da schlug Danglard plötzlich mit der Faust auf den Tisch, daß Wein auf die Berichte spritzte. Adamsberg schreckte hoch. Danglard konnte grollen, brummen oder still vor sich hin schmollen, alles maßvolle Formen, um, wenn nötig, sein Mißfallen auszudrücken, aber in erster Linie war er ein kultivierter, höflicher Mensch mit einer ebenso unerschöpflichen wie taktvollen Güte. Außer, wenn es um ein bestimmtes Thema ging, und Adamsberg machte sich steif.
    »Mein ›wahrer Grund‹?« sagte Danglard kühl, die geballte Faust noch immer auf dem Tisch. »Was schert Sie mein ›wahrer Grund‹? Ich leite doch diese Brigade nicht, und ich schick uns auch nicht los, um die Blödmänner zu spielen im Schnee. Scheiße.«
    Adamsberg schüttelte den Kopf. In den vielen Jahren war es das erste Mal, daß Danglard ihm direkt ins Gesicht Scheiße sagte. Na schön. So etwas traf ihn nicht, aufgrund seiner einzigartigen Fähigkeit zur Gelassenheit und Sanftmut, die von einigen Gleichgültigkeit und Desinteresse genannt wurde und all jene zum Wahnsinn trieb, die versuchten, listig in diesen Nebel einzudringen.
    »Ich erinnere Sie daran, Danglard, daß es sich um ein ganz seltenes Angebot zur Zusammenarbeit handelt und um eines der leistungsfähigsten Systeme, die es zur Zeit gibt. Die Kanadier sind auf diesem Gebiet absolut Spitze. Wenn wir absagen würden, stünden wir wie die Blödmänner da.«
    »Quatsch! Erzählen Sie mir doch nicht, Ihr Berufsethos würde Ihnen vorschreiben, uns in dieser Arschkälte anöden zu lassen.«
    »Doch, ganz genau.«
    Danglard leerte sein Glas in einem Zug und sah Adamsberg mit vorgestrecktem Kinn ins Gesicht.
    »Was sonst, Danglard?« fragte Adamsberg ruhig.
    »Ihr Grund«, knurrte er. »Ihr wahrer Grund. Wenn Sie mal davon reden würden, anstatt mir Sabotage zu unterstellen. Wenn Sie mal von Ihrer eigenen Sabotage reden würden?«
    Na endlich, dachte Adamsberg. Da hätten wir’s.
    Danglard stand ruckartig auf, öffnete seine Schublade, holte die Flasche Weißwein heraus und goß sein Glas voll. Dann lief er durchs Zimmer. Adamsberg verschränkte die Arme und wartete, daß das Gewitter losbrach. Wenn er in dieser Wut- und Weinphase war, war es nicht angebracht, irgend etwas zu entgegnen. Eine Wut, die sich mit einem Jahr Verspätung schließlich entlud.
    »Nur zu, Danglard, wenn Sie darauf bestehen.«
    »Camille. Camille ist in Montreal, und Sie wissen es. Darum und aus keinem anderen Grund stecken Sie uns in diese verdammte Höllenboeing.«
    »Das also ist es.«
    »Ja, genau.«
    »Und eben das geht Sie nichts an, Capitaine.«
    »Nein?« schrie Danglard. »Vor einem Jahr hat Camille sich davongemacht, ist aus Ihrem Leben verschwunden durch eins dieser vertrackten Abtauchmanöver, deren Geheimnis nur Sie kennen. Und wer wollte sie unbedingt wiedersehen? Wer? Sie? Oder ich?«
    »Ich.«
    »Und wer hat ihre Spur verfolgt? Sie wiedergefunden, ausfindig gemacht? Wer hat Ihnen ihre Adresse in Lissabon beschafft? Sie? Oder ich?«
    Adamsberg stand auf und schloß die Tür des Büros. Danglard hatte Camille immer verehrt, ihr geholfen und sie behütet wie einen Kunstgegenstand. Daran war nicht zu rütteln. Und dieser Beschützereifer vertrug sich sehr schlecht mit Adamsbergs chaotischem Leben.
    »Sie«, antwortete er gelassen.
    »Richtig. Also geht es mich etwas an.«
    »Leiser, Danglard. Ich höre Sie sehr gut, Sie müssen nicht schreien.«
    Diesmal schien der besondere Klang von Adamsbergs Stimme seine Wirkung zu tun. Wie ein Heilmittel wanden sich die Schwingungen der Kommissarsstimme um den Gegner und lösten eine Ruhe oder auch ein Gefühl des inneren Friedens, der Heiterkeit und Freude oder auch völlige Unempfindlichkeit in ihm aus. Lieutenant Voisenet, von Beruf Chemiker, war im Gerüchtezimmer oft auf dieses Rätsel zu sprechen gekommen,
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