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Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast

Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast

Titel: Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast
Autoren: Friedrich Ani
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zweiten Stock traf Süden auf eine vor Zorn glühende Frau, die ihm beim Eintreten eine Schachtel Zigaretten entgegenschleuderte.
    »Sie Hundling!«, rief Karla Leimer. »Wenn ich meinen Job verlier, verklag ich Sie! Warum darf man hier nicht rauchen?«
    Süden schloss die Tür und blieb davor stehen. An dem rechteckigen Tisch saß außer Karla noch die Protokollantin, die siebenundvierzigjährige Veronika Bautz, mit einem Laptop und einem unlinierten DIN-A4-Block.
    »Möchten Sie Kaffee?«, fragte Süden.
    Karla Leimer blickte starr auf den Tisch. Sie trug eine rosafarbene Bluse, die den Kommissar an die Krawatte des Verkaufsleiters erinnerte, darüber einen weißen Anorak, und sie hatte ihr Haar wieder mit einem weißen Tuch zusammengebunden. Im mickrigen Licht, das durch das schmale Fenster hereinfiel, wirkte ihr Gesicht verhärmt, ihre Haut grau und ihr schlanker, nahezu dürrer Körper wie zusammengezurrt.
    »Am Wochenende«, sagte Süden, »lassen wir Fotos Ihres Mannes in den Zeitungen veröffentlichen und ihn über Radiosender suchen.«
    Ausdruckslos hob sie den Kopf. »Wieso bin ich hier? Wieso haben Sie mich abholen lassen wie eine Verbrecherin?«
    Ihr Blick erinnerte Süden an den ihres Liebhabers.
    »Möglicherweise sind Sie eine Verbrecherin«, sagte er.
    Zum ersten Mal verzog sich ihr Mund zu einer Art Grinsen. »Was bin ich? Deswegen haben Sie mich abholen lassen? Um mir so was ins Gesicht zu sagen?«
    Süden schwieg. Er wartete auf den Moment, indem sie einen Rechtsanwalt ins Spiel brachte, und er wunderte sich ein wenig, dass sie es nicht schon getan hatte. Dann wunderte er sich nicht mehr.
    Karla hatte genug damit zu tun, ihn, Süden, halbwegs vernünftig anzulügen.
    »Ihr Mann«, sagte Süden, »ist nicht am Sonntagabend verschwunden.«
    »Sie müssen es wissen.« Nach einem kurzen Blick auf die Protokollantin, die keinerlei Reaktionen zeigte, ballte Klara die Fäuste auf dem Tisch und zog die Lippen nach innen.
    Nach einem Schweigen sagte Süden: »Ihr Liebhaber hat Sie bestimmt über meinen Besuch bei ihm informiert. Er hat mir von dem Geld erzählt, das Ihr Mann trotz seiner Schulden besitzt. Und Rincke glaubt, dass Ihr Mann sich umgebracht hat. Sie haben diese Möglichkeit bisher ausgeschlossen.«
    »Hab ich das?« Sie sah ihn an. »Mein Mann ist unberechenbar. Für das, was der tut, leg ich meine Hand nicht ins Feuer.«
    »Wie viel Geld hat Ihr Mann auf der Bank, Frau Leimer?«
    »Keine Ahnung.«
    »Sie wissen es nicht.«
    »Weiß ich nicht, juckt mich nicht.«
    Süden schwieg.
    Wenn sie nicht mitschrieb, legte Veronika die Hände in den Schoß und beobachtete mit schnellen, professionellen Blicken das Verhalten der Zeugin. Gelegentlich notierte sie dann auf ihrem Block Stichpunkte über eine bestimmte Geste oder einen Gesichtsausdruck. Sie arbeitete seit fast zwanzig Jahrenfür das Dezernat 11, ihre selbstbeherrschte, ruhige Art schätzten besonders die Ermittler der Mordkommission, wenn bei ihren Vernehmungen grausame Details zur Sprache kamen oder Zeugen und Verdächtige sich in vulgären Ausdrücken suhlten.
    Darüber hinaus pflegte Veronika eine dauerhafte Zuneigung zu Tabor Süden, doch auch diese wusste sie perfekt zu verbergen.
    »Am Freitag waren Sie mit Rincke im Tizian«, sagte der Kommissar. »Warum haben Sie ausgerechnet dieses italienische Lokal ausgesucht?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Weil wir da öfter hingehen, hören Sie mir nicht zu?«
    »Mit Rincke waren Sie zum ersten Mal da.«
    »Wer sagt denn so was?«
    »Sind Sie danach mit Ihrem Freund in Ihre Wohnung gegangen?«
    Mit der rechten Faust rieb sie über den Holztisch, ruckartig, mit weißen Knöcheln. »Nein«, sagte sie, ohne ihn anzusehen.
    Die Tasten des Laptops klackten leise.
    »Nein«, sagte Süden. »Und Sie wußten auch nichts von dem Geld.«
    »Nein.«
    »Und Sie wissen auch wenig über Ihren Mann.«
    Ihr Kopf schnellte herum. »Wissen Sie viel über Ihre Frau?«
    »Am Samstagabend war Ihr Mann gemeinsam mit Ihnen zuhause«, sagte Süden.
    »Ja.«
    »Haben Sie sein Handy klingeln hören?«
    »Was hab ich?«
    »Hat das Handy Ihres Mannes geklingelt?«
    Wie lang auch immer die Liste gewesen sein mochte, die sie und Jost Rincke erstellt hatten, um gegen alles Mögliche gewappnet zu sein – das Thema Handy fehlte darauf.
    Eine Minute lang saß sie mit verkniffenem Mund da, unfähig, ihre Verwirrung zu verbergen, ihre Wut, ihre Ratlosigkeit.
    Süden schwieg.
    Veronika schrieb etwas auf ihren Block.
    Ohne ihre
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