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Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast

Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast

Titel: Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast
Autoren: Friedrich Ani
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in der Innenstadt gebracht, wo er zunächst 48 Stunden auf weitere Vernehmungen und schließlich auf seinen Haftbefehl warten würde.
    Auch wenn Süden nicht mit einem so direkten Angriff gerechnet hatte, war er über seine intuitive Wachsamkeit erleichtert. Vor seiner Zeit in der Vermisstenstelle, vor mehr als zwölf Jahren, war er alsFahnder in der Mordkommission öfter in bedrohliche Situationen geraten, die ihn zwangen, sich zu verteidigen. Und immer hatten die Gegner seine Härte und Schnelligkeit unterschätzt. In solchen Momenten empfand er in sich eine Gewaltfähigkeit, die ihn beinah erschreckte. Und nach Martins Tod dachte er manchmal, sie wäre noch gewachsen. Aber wenn er seine Bongos bearbeitete oder stundenlang durch die Stadt lief, kehrte die Ruhe in ihn zurück, und er wußte, er würde niemals eine Grenze überschreiten, hinter der er dann für seine alte, zu ihm gehörende Welt für immer verloren wäre.
    Auf dem Bett im Schlafzimmer lag ein aufgeklappter schwarzer Koffer, zur Hälfte gefüllt mit Unterwäsche, Hosen, Pullovern, T-Shirts. Vor dem Bett standen vier Paar Lederschuhe und ein Paar braune Stiefel mit Beschlägen. Die Schranktüren waren geöffnet, an einer der beiden Türen hing ein Bügel mit einem hellblauen Anzug. Ansonsten sah das Zimmer vollkommen aufgeräumt aus, auch das Wohnzimmer und die Küche. Nur der Küchentisch war übersät mit Zetteln und anderen Papieren, die sich bei näherem Hinsehen als Lagepläne und Zeichnungen von Straßen und Wegen herausstellten. Unter den Blättern hatte Rincke einen Stadtplan ausgebreitet, auf dem Süden verschiedene, mit blauem Kugelschreiber gezogene Linien entdeckte, die von der Ingolstädter Straße stadtauswärts verliefen.
    Ein kleiner, schwarzer Kalender lag dabei. Aus dem Gekritzel auf der Seite vom Donnerstag, dem 8. März, schloss Süden, dass an diesem Tag um 21 Uhr offensichtlich die Tageseinnahmen aus demEinkaufszentrum abgeholt wurden. Er konnte drei Namen von zwei Männern und einer Frau entziffern und verwackelte Hinweise auf deren Eigenschaften und Angewohnheiten. »Langsam«, »steht an der Tür«, las er, »will was trinken«, »zieht Handschuhe aus«.
    Allem Anschein nach bereitete Jost Rincke an seinem Arbeitsplatz einen Überfall auf einen Geldtransport vor, und zwar für morgen.
    Was hatte der verschwundene Richard Leimer damit zu tun? Ein Komplize? Das erschien Süden unwahrscheinlich.
    Eine Stunde später, während sich die Spurensucher mit ihren weißen Schutzanzügen und Aluminiumkoffern auf den Weg in die Siedlung am Hart machten, stand Tabor Süden wieder im Vernehmungsraum neben der geschlossenen Tür und wartete auf Karlas Antworten.
    Sie presste die Lippen aufeinander und starrte den Tisch an. In Südens Abwesenheit hatte sie eine Tasse Kaffee getrunken und in dem speziell dafür reservierten Dezernatsraum eine Zigarette geraucht. In der Mitte des Tisches lag ihr Handy, das Süden ausgeschaltet hatte, nachdem Karla Leimer sich geweigert hatte, es zu tun.
    »Ich gehe nicht davon aus, dass Ihr Mann an dem Überfall teilnehmen wollte«, sagte Süden.
    Karla gab keinen Laut von sich.
    »Ich gehe davon aus, er hat Sie und Ihren Freund bei der Ausführung des Plans gestört.«
    Sie holte Luft, hielt sie an, hob den Kopf und redete zur gegenüberliegenden Wand. »Sie haben keineAhnung und machen sich wichtig. Dieser Mann, mein Mann kann uns nicht stören. Weil er nämlich unwichtig ist. Und das war er immer. Er hat Hosen verkauft und geglaubt, das sei was Besonderes. So wie Sie glauben, Sie wären was Besonderes, weil Sie uns vorführen lassen und uns Dinge einreden, die kein Mensch außer Ihnen glaubt. Mein Mann hat unseren Plan gestört! Er wollt sich nicht scheiden lassen, das war das Einzige, was bei der Sache gestört hat. Wenn er sich nämlich hätt scheiden lassen, hätt ich die Sache mit seinem Schwarzgeld in Österreich auffliegen lassen und dann hätt er mich bezahlen müssen oder wär in den Knast gewandert. Wenn Sie einem wie dem auf den Leim gehen in Ihrem Leben, dann haben Sie verschissen, früher oder später.«
    Sie zeigte mit dem Finger auf Veronika, die, wie bei der ersten Vernehmung, vor ihrem Laptop saß. »Schreiben Sie bloß alles mit. Damit am Schluss ganz klar ist, worum’s hier geht.« Dann blickte sie wieder zur Wand und ballte, ohne dass sie es bemerkte, beide Fäuste auf dem Tisch. »Mein Mann war ein gescheiterter Hosenverkäufer, der sich eingebildet hat, er kann uns alle austricksen.
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