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Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast

Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast

Titel: Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast
Autoren: Friedrich Ani
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Dunkeln lag und offensichtlich als Büro diente. Auf einem Schreibtisch standen ein Computer und mehrere Ablagekästen.
    Süden sagte: »Sie haben Herrn Leimer ein Handy zur Verfügung gestellt, damit Sie sich gegenseitig immer erreichen können.«
    Margret sah ihn an, stumm, von Schatten umgeben.
    »Und Sie haben ihn nicht als vermisst gemeldet.«
    »Das verstehen Sie nicht«, sagte sie mit müder Stimme.
    »Ja«, sagte Süden. »Das ist wahr.«
    Sie schwiegen. Und als er ein Geräusch hörte und Margret im selben Moment den Kopf hängen ließ, trat er einen Schritt zur Seite und drehte sich um.
    Aus einem Zimmer auf der anderen Seite des Flurs kam mit schweren Schritten ein Mann in einem grauen seidenen Schlafanzug. Er ging vornübergebeugt, die Hände in den Taschen, an den Füßen dicke. graue Wollsocken.
    Wortlos schlurfte er an Süden vorbei zum Tisch und setzte sich auf den zweiten Stuhl. Um den Hals trug er einen weißen Verband, in seinem von Schürfwunden übersäten Gesicht klebten Pflaster. Er klemmte seine Hände zwischen die Knie. Bevor er anfing zu sprechen, räusperte er sich und bewegte den Kiefer hin und her und kniff mehrmals die Augen zusammen und riß sie weit auf, als müsse ererst wach werden und sich an die Umgebung gewöhnen.
    Süden wusste, dass der Mann achtundvierzig war, aber in diesem Licht und mit dieser schmerzgebeugten Haltung hätte er ihn fünfzehn Jahre älter geschätzt. Die Stimme klang heiser, ungeübt.
    »Alles vorbei«, sagte Richard Leimer. Er bewegte den Kopf. Es schien, als versuche er seine Freundin anzusehen. Dann gab er den Versuch auf. »Hier wollte ich leben. Bei Margret. Unerkannt. Alles geplant, alles verloren. Ich kam nach Hause, am Freitag, da warteten sie schon auf mich. Alle beide. Sie wollten das Geld aus Österreich, sie wollten mich weghaben. Hätten sie doch sowieso gekriegt. Mich weg, meine ich. Das Geld hätten sie nicht gekriegt.«
    Er öffnete den Mund, hustete, vermied jeden Blickkontakt mit dem Kommissar. »Wieder Streit, wie immer. Dann schlug er zu, schlug noch mal zu. Ich erinner mich noch, wie sie mich anglotzte. Karla. Sie hatte immer schon dieses Glotzen im Gesicht. Sie fesselten mich, knebelten mich, schleppten mich aus der Wohnung. Ins Auto. Irgendwo raus Richtung Harlaching, Menterschwaige. Karla am Steuer. Ich lag hinten, und er schlug wieder zu. Er dachte, ich wär bewusstlos. War ich wahrscheinlich auch. Kurz. Nicht lang genug auf jeden Fall. Warfen mich in die Isar, gefesselt und geknebelt. Ich weiß noch, wie das Wasser über mir zusammenschlug. Aber ich hab den Kopf wieder hochgekriegt, an die Luft. Hab mich bewegt, mit den Beinen. Zum Ufer hin. Früher konnte ich ganz gut schwimmen. Hab’s geschafft. Bin rausgeklettert. Hab an einem Stein das Klebeband vomMund abgerieben. Dann wollt ich Margret anrufen, aber das Handy war weg. Das liegt jetzt auf dem Isargrund.«
    Margret hatte den Kopf immer noch gesenkt, unaufhörlich tropften Tränen auf ihr Kleid.
    »Ich war glücklich«, sagte Leimer. »Fesseln abgestreift und losgegangen. Hab am Hals geblutet, muss mich geschnitten haben. War doch egal. Ich dachte: Jetzt fang ich neu an, jetzt statt ich mich neu aus, von innen raus. Bin doch Herrenausstatter.«
    Margret lachte kurz auf, dann weinte sie lautlos weiter.
    »Im Verborgenen statt ich mich aus«, sagte Leimer. »Ich bin verschwunden, die Polizei findet mich nicht, die Zeit vergeht, und ich bin in Sicherheit bei dir.«
    Er wartete, ob sie ihn ansah. Eine lange Minute später tat sie es.
    »Wir hätten es geschafft«, sagte er. »Niemand hätte etwas bemerkt. Ich wäre perfekt verschwunden gewesen, Herr Kommissar.«
    Er sah Süden nicht an, nur seine Freundin.
    »Perfekt für alle Zeit. Endlich am richtigen Platz. Im richtigen Zimmer, bei der richtigen Frau.« Er lächelte sie an in der Stille.
    Nach einem Schweigen sagte Süden: »Sie haben Ihrem Arzt erzählt, Sie wollten ein neues Geschäft eröffnen, Herr Leimer.«
    »Hab ich nur so erzählt«, sagte der Mann und hustete. »Hört doch jeder gern, dass jemand, der pleite gemacht hat, neue Pläne schmiedet. Dass er seine Zuversicht nicht verloren hat. Das hören die Leute gern. Dann sind sie beruhigt. Fühlen sich entlastet.Ich wollt immer nur hier sein. Weg von allem. Klaviermusik hören durch die geschlossene Tür. Nachts spazieren gehen. Mich hätt es ja nicht mehr gegeben. Können Sie sich ein erfüllteres Leben vorstellen, Herr Kommissar?«
    »Sie werden als Zeuge vor Gericht
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