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Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast

Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast

Titel: Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast
Autoren: Friedrich Ani
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Stimme zu heben, sagte Karla Leimer: »Mein Mann hat gar kein Handy.«
    Süden sagte: »Das ist Ihnen nach langem Nachdenken eingefallen.«
    Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Veronika zuckte erschrocken zusammen, was ihr selten passierte.
    »Sie wollen mich austricksen, aber das klappt bei mir nicht, guter Mann!« Ihr Zorn zerstörte ihre Strategie vollständig. »Mein Mann hat kein Handy, ja! Er hatte nicht mal eins, als er noch im Geschäft war. Ja? Mein Mann braucht nämlich kein Handy, jetzt erst recht nicht. Was soll diese dämliche Frage? Sie stehen da rum die ganze Zeit, glauben Sie, Sie können mich einschüchtern? Ich muss zurück an meinen Arbeitsplatz, und Sie werden mich nicht daran hindern.« Sie stand auf und schob den Stuhl mit dem Fuß zur Wand. »Und Sie sollten Ihre Arbeit tun und meinen Mann suchen. Sonst beschwer ich mich bei Ihrem Vorgesetzten.« Mit einem Ruck wandte sie sich an Veronika. »Haben Sie alles? Netter Job.«
    Sie kam um den Tisch herum. »Geben Sie mir meine Zigaretten zurück.« Sie deutete mit dem Kopf auf die am Boden liegende Schachtel.
    »Ich belehre Sie, Frau Leimer«, sagte Süden, »von jetzt an werden Sie nicht länger als Zeugin vernommen, sondern als Tatverdächtige. Das heißt, Sie haben das Recht zu schweigen, einen Anwalt hinzuzuziehen und Beweiserhebungen zu beantragen. Haben Sie die Belehrung verstanden, Frau Leimer?«
    Sie nahm die Hände aus den Taschen ihres Anoraks. »Was?« Sie grinste mit offenem Mund. «Sie wollen mich verhaften? Ich bin verhaftet? Sind Sie betrunken? Was wollen Sie denn von mir? Suchen Sie lieber meinen Mann, verflucht.«
    »Das tue ich«, sagte Süden. »Sie wissen, wo er ist. Sie haben ihn mit Ihrem Freund dort hingebracht.«
    »Wo denn hin?«, schrie sie. »Sie totaler Depp! Sie haben ja keinen Schimmer! Gehen Sie aus dem Weg, ich muss zur Arbeit!« Sie schlug ihre Schulter gegen seine Brust und wollte sich an ihm vorbeidrängen. Süden packte sie an den Oberarmen.
    »Setzen Sie sich wieder, Frau Leimer.«
    »Loslassen! Ich schrei um Hilfe.«
    Veronika schrieb jedes Wort mit.
    »Schreien Sie«, sagte Süden.
    Sie neigte den Kopf und schrie ihm ins Gesicht. »Hilfe! Hilfe! Ich werd misshandelt! Hilfe!«
    Aber Süden ließ sie nicht los, sondern schob sie zurück an die Schmalseite des Tisches und drückte sie auf den Stuhl. Obwohl er einen Kopf kleiner warals sie, hatte sie gegen seine 88 Kilogramm keine Chance.
    Nachdem er einen Moment gewartet hatte, ob sie sitzen blieb, ging er zur Tür und öffnete sie.
    »Ich lasse Ihnen Kaffee und Mineralwasser bringen«, sagte Süden. »Haben Sie einen Anwalt? Ich werde im Drogeriemarkt anrufen und Bescheid sagen, dass Sie heute nicht mehr kommen. Meine Kollegen von der Streife haben mir gesagt, Sie wären heute zu zweit im Laden. Und legen Sie bitte Ihr Handy auf den Tisch.«
    »Hauen Sie ab, Sie fetter Bulle.«

6
    »Sie können ruhig noch mehr Plätzchen essen«, sagte die dreiundsechzigjährige Annemarie Lukas und faltete die Hände im Schoß und krümmte die Schultern, wie schon die ganze Zeit. Sie bekam ihren Blick nicht von dem gerahmten Foto los, das vor ihr auf dem Tisch stand. »Die kauf ich immer beim Wimmer, in der Konditorei. Die Frau Wimmer wird nächsten Monat fünfundsiebzig, aber sie steht jeden Tag im Laden, den haben sie und ihr Mann damals aufgebaut. Er hat erst Bäcker gelernt und dann umgeschult. Seit ich ihn kenn, ist er im Gesicht weiß wie Puderzucker. Aus dem Urlaub kommt der mit derselben Farbe zurück, das können Sie sich nicht vorstellen, Frau Feyerabend. So ein schöner Name. Feyerabend. Da sind die Leut bestimmt irritiert, wenn Sie ans Telefon gehen und sich mit Ihrem Namenmelden. Denken die Leut: Feierabend? Warum ist jetzt mitten am Tag Feierabend? Wollen Sie nicht doch Ihren Mantel ausziehen? Sie haben recht, direkt warm ist es nicht. Dabei hab ich die Heizung aufgedreht, gleich in der Früh. Ich frier ja auch leicht. Man soll ja jetzt sparen, Energie, weniger Strom, weniger Autofahren. Ich weiß nicht. Ob das stimmt, dass die Erde bloß noch dreizehn Jahre gesund ist, und dann geht alles kaputt? Dreizehn Jahre. Das würd ja sogar ich noch erleben. Heuer der Winter war nichts, das stimmt. Zwei Tage haben wir Schnee gehabt, dann war alles vorbei. Am 19. Februar haben am Stachus schon die ersten Krokusse geblüht, ich hab’s mir extra aufgeschrieben. So früh sind die noch nie aus der Erde gekommen. 19. Februar. Da sieht man schon, dass die Natur
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