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Der verruchte Spion

Der verruchte Spion

Titel: Der verruchte Spion
Autoren: Celeste Bradley
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nichts von der Wilderei, aber er glaubte auch nicht, dass es an Willa war, sie zu stoppen. Selbstverständlich war es auch nicht Willas Aufgabe, unschuldige Fremde auf der Straße vom Pferd zu fällen.
    Vielleicht würde es weniger Aufregung über ihre letzte Eskapade geben, wenn ihr attraktiver Fremder aus eigener Kraft ins Dorf ginge. Sie reckte den Hals, um ihm voller Hoffnung ins Gesicht zu sehen.
    Keine Chance. Er war unter keinen Umständen in der Lage zu gehen. Sie stützte ihr Kinn in die Hand und betrachtete ihn eingehend. Sie war einem Mann noch nie so nahe gekommen, schon gar nicht einem so außerordentlich gut aussehenden.
    Kein Mann, der sie kannte, wollte ihr nahe sein, mochte er sie auch noch so sehr. Kein Einziger würde ihr auch nur einen Kuss geben nach dem, was dem armen Wesley Moss widerfahren war. Und jetzt, nach der Sache mit Timothy, würde ihr Ruf ihr wahrscheinlich weit vorauseilen.
    Vielleicht würde sie den Rest ihres Lebens ungeküsst verbringen. Warum also nicht? Dieser Mann hier war bereits bewusstlos. Sie könnte also genauso gut Nutzen aus einer einzigartigen Situation ziehen.
    Ermutigt durch die einsetzende Dunkelheit, beugte sie sich wieder über ihn. Er roch fantastisch, nach Gewürzen
und Pferd und noch etwas, das sie nicht benennen konnte, auf das ihr Körper aber nichtsdestotrotz eindeutig reagierte.
    Willa atmete tief ein und vermeinte den Geruch von Abenteuer an ihm wahrzunehmen. Jede Wette, dieser Mann war weit herumgekommen. Er hatte die exotischen Düfte solcher Orte wie der staubigen Straßen Kairos und der parfümierten Salons Wiens genossen. Vielleicht war er gerade auf dem Weg nach London. Diese Straße führte zwar nicht direkt dorthin, aber Willa wusste, dass sie südlich von Derryton in eine größere Straße mündete, obgleich sie selbst noch nie so weit vom Dorf entfernt gewesen war. Das stelle man sich vor! London!
    Willa schüttelte den Kopf. Wie albern von ihr. Doch allein die Art, wie sich die Lippen des Mannes unter ihren Fingerspitzen angefühlt hatten, ließ sie schneller atmen und vor Neugier fast sterben.
    Niemand war in der Nähe. Niemand würde es erfahren. Niemals.
    Langsam schob sie sich auf den Oberkörper des Fremden. Ungeahnte Gefühle wallten in ihr auf. Sie zögerte. War es falsch, jemanden zu küssen, ohne um seine Einwilligung gebeten zu haben? Timothy hatte sie vorher sehr höflich gefragt. Nicht dass es ihm irgendetwas genützt hätte, mit seinen Knochenbrüchen und allem.
    »Würde es Euch fürchterlich stören, wenn ich Euch küsste?«
    Nun, sie musste nicht lügen, wenn sie später berichtete, er habe nicht protestiert. Mit der Zungenspitze fuhr sich Willa über die Lippen und presste sie auf den Mund ihres gut aussehenden Fremden.
    Es war angenehm, ohne Zweifel, entsprach aber nicht ganz ihren Erwartungen. Mit einem enttäuschten Seufzen glitt sie von seinem Oberkörper und legte sich ins Gras neben ihn.

    Er wirkte schrecklich ungepflegt, wie er so mit seinem zerknautschten Mantel und den gespreizten Gliedern dalag. Wenn sie wegginge und ein anderer fände ihn in diesem Zustand, wäre es ihm sicherlich peinlich. Ganz zu schweigen von der wunderbaren Gelegenheit, ihn noch einmal zu berühren, wenn sie ihn in Positur legte.
    Bis sie seine Glieder zu ihrer Zufriedenheit arrangiert hatte, war sie wieder völlig außer Atem. War es nicht merkwürdig, dass allein das Berühren eines muskulösen Oberschenkels oder einer großen, rauen Hand ihr den Atem nahm? Vielleicht sollte sie besser aufhören, ihn zu berühren, wenn sie wieder zu Atem kommen wollte.
    Willa lehnte sich auf die Ellenbogen zurück, legte den Kopf in den Nacken und beobachtete die einfallende Dämmerung. Sie würde ihn zurücklassen, sobald die Hornissen sich beruhigt hatten. Sie würde bald gehen, denn er war noch nicht wieder aufgewacht, das war kein gutes Zeichen.
    Sobald die Hornissen sich beruhigt hatten …

2. Kapitel
    D ie versteckte Kammer in einem Turm des Westminsterpalastes dürfte bei einem flüchtigen Betrachter kaum Interesse wecken, denn sie war lediglich ein runder Raum, dessen geschwungene Wände hin und wieder durch spitz zulaufende Paneele akzentuiert wurden, auf denen geradezu lächerlich idyllische Landschaftsbilder prangten; Werke eines namenlosen Künstlers eines vergangenen Jahrhunderts. Die Farben waren durch Ruß und nachlässige Haushaltsführung verblasst, was der dargestellten plumpen Landbevölkerung einen eher schmutzigen Charakter verlieh. Nicht,
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