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Der verruchte Spion

Der verruchte Spion

Titel: Der verruchte Spion
Autoren: Celeste Bradley
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für ein riesiger Kerl.
    Und wie schrecklich ermüdend.
    Willa blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Frisur hatte sich bei der Anstrengung völlig aufgelöst. Als sie das Haar im Nacken mit einem Band zusammenfasste, betrachtete sie ihr Opfer im letzten Licht der untergehenden Sonne.
    Sein Gesicht war voller romantischer Linien und sinnlicher
Strenge. Sein goldenes Haar war dicht und viel zu lang, aber ihr gefiel die Art, wie es über seine Kieferknochen fiel. Auf seinen unrasierten Wangen schimmerte ein Hauch gold-braunen Bartes.
    Alles in allem ein eher gesetzloser Vertreter seiner Gattung. Sie fragte sich, ob er vielleicht so etwas wie ein Rebell war. Sein Kragen war zwar einfach, aber von guter Qualität, sein Halstuch elegant gebunden, aber keineswegs geckenhaft.
    Sein Gesicht war nach dem ganzen Herumgerolle ziemlich staubig. Willa zog ein Taschentuch aus dem Ärmel und benetzte einen Zipfel mit der Zunge. Moira ginge die Wand hoch, wenn sie etwas davon erführe, doch es war niemand in der Nähe, der hätte zusehen können, wie Willa etwas derart Gewöhnliches tat. Sie ertrug das unordentliche Aussehen des Mannes einfach nicht länger.
    Während sie ihm zärtlich Stirn und Wangen säuberte, dachte sie darüber nach, wer er sein und woher er kommen mochte. Sie kannte ihn nicht, also lebte er nicht hier. Derryton war zwar in der näheren Umgebung bekannt für sein gutes Ale, aber es lag nicht an irgendeiner bedeutenden Straße, sodass nur wenige wahrhaft exotische Reisende vorbeikamen.
    Sein Atem strich regelmäßig über ihr Gesicht, und sein Herz pochte gleichmäßig gegen ihre Rippen. Willa hatte einige Erfahrung mit Verletzungen – oder besser: damit, sie zu beobachten. Sein Sturz schien ihn nicht in Lebensgefahr gebracht zu haben.
    Nichtsdestotrotz müsste sie bald Hilfe für ihn holen. Langsam hob sie den Kopf und schielte durch das hohe Gras in Richtung Hornissennest. Es war so sehr mit aufgeregten Insekten bedeckt, dass man das Nest selbst unter all den rastlosen geflügelten Körpern nicht erkennen konnte. Willa meinte die Vibration des lauten Summens zu spüren. Jede
Sekunde wurden es mehr Insekten, die sich auf dem Nest niederließen.
    Es war ein ernüchternder Anblick. Eine solche Ansammlung von Hornissen konnte gefährlich werden. Langsam, um mit jeder Faser ihres Körpers Harmlosigkeit zu signalisieren, ließ sich Willa neben ihr letztes Opfer zurücksinken. »Vespa crabro«, erklärte sie ihm flüsternd. »Die gemeine Hornisse. Eigentlich eher fügsam und hübsch … normalerweise.« Sie lauschte dem wütenden Summen nur wenige Meter entfernt. »Selbstverständlich nur, falls das Nest nicht gestört wird«, fuhr sie fort, und ihre Worte waren kaum mehr als ein Atmen an seinem Ohr. »Ich würde dieses Nest hier als ziemlich gestört bezeichnen, ja sogar als zerstört. Aber macht Euch deshalb keine Sorgen. Mit dem Ende des Sommers hätten sie ohnehin nur noch wenige Monate zu leben gehabt.«
    Sie seufzte tief und machte es sich im hohen Gras etwas bequemer. »Wir müssen uns nur weiter still verhalten und warten. Sie werden sich bei Sonnenuntergang beruhigen. Dann kann ich Hilfe aus Derryton holen.«
    Der Sonnenuntergang war nicht fern. Tatsächlich konnte man kaum noch davon sprechen, dass es Tag war, so wie die bläuliche Dämmerung den Himmel überzogen hatte. Auch wurde es kühl, ein unverkennbares Zeichen dafür, dass sich bald Nebel auf die Felder legen würde. Ausgezeichnet. Die Kälte würde den Zorn der Hornissen dämpfen und der Nebel sie verwirren.
    Dann wollte sie Hilfe holen. Sie seufzte. Es würde mit Sicherheit Ärger geben, wenn sie es tat. Und sie war es so schrecklich leid, immer wieder Ursache für einen Aufruhr zu sein.
    Oh ja, sie wusste, dass alle sie liebten. Aber das Schlimme daran, als Waise von einem ganzen Dorf aufgezogen worden zu sein, war, dass alle sich bemüßigt fühlten, sie zu kritisieren. Und sie taten es.

    Schlimm genug, dass sie so lange draußen geblieben war. Aber dann auch noch einen solchen Unfall zu verursachen, wenn sie doch eigentlich daheim am Herd hätte stehen sollen … die Vorhaltungen würden niemals aufhören.
    Keiner würde sich dadurch besänftigen lassen, dass sie den ganzen Abend gebraucht hatte, um die vom alten Mr Pratt ausgelegten Fallen aufzuspüren und mit der Steinschleuder auszulösen, die sie sich ausgeliehen hatte. Sie hatte John gesagt, sie wollte nur die letzten reifen wilden Johannisbeeren sammeln.
    Ihr Vormund hielt
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