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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat
Autoren: Barry Eisler
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Auftragsangebot für mich an.«
    »Richtig.«
    Ich lachte und sah weg. Ich hatte mir wirklich einen Moment lang Hoffnungen gemacht. Ein Blick auf einen Tangabikini, und mein Gehirn stellte den Dienst ein. Es war lachhaft.
    »Wenigstens bist du nicht sauer, weil ich nicht auf dein Signal gewartet habe«, sagte ich.
    Ich hörte sie sagen: »Bin ich nicht. Aber weder das eine noch das andere ist der Grund, warum ich hier bin.«
    Das kaufte ich ihr nicht ab. »Ach nein?«, sagte ich.
    »Ich gönne mir einen ausgiebigen Urlaub, eine Erholungspause – das ist so üblich, wenn man so lange undercover und in ständiger Angst vor Enttarnung gelebt hat. Meine Organisation ist in dieser Hinsicht großzügig und verständnisvoll. Sie verstehen, was das für ein Stress ist.«
    Es klang deprimierend nach einem Lockangebot. »Das glaube ich gern.«
    »Normalerweise drehe ich nach so einem Einsatz immer ein bisschen durch. Ich reise, lass mich mit einem hübschen jungen Mann ein, versuche die jüngsten Erinnerungen mit viel Wein und Sex auszublenden. Keiner weiß, wo ich hinfahre, keiner stellt Fragen. Ich komme zurück, wenn ich wieder einsatzbereit bin.«
    »Und dieses Mal?«
    »Dieses Mal hab ich mir gedacht, ich würde gern etwas Zeit mit einem Mann verbringen, den ich vor kurzem kennen gelernt habe. Falls er interessiert ist.«
    Ich blickte aufs Meer hinaus. Ein frischer Wind setzte Schaumkronen auf die Wellen. Sie blitzten in der Sonne.
    »Sag mir, wie du mich gefunden hast«, sagte ich. Ich hatte lange genug gewartet.
    »Nach Kwai Chung haben wir uns alle Mühe gegeben. Wir haben rasch eine Menge Informationen zusammengetragen. Je mehr wir herausbekommen würden, desto eher würden wir dich finden können. Und es gelang uns, Zugang zu den Akten der Hongkonger Zollbehörde zu erwirken, die über ein Jahr zurückreichen. Kluge Leute stellten Vermutungen an, Techniker fütterten Daten in Supercomputer. Sie haben deine Spur bis nach Südamerika verfolgt. Danach warst du verschwunden.«
    »Nicht gründlich genug, wie mir scheint.«
    »Du vergisst, dass ich dich kenne. Wir haben Zeit zusammen verbracht. Im Oparium Café in Macau hast du Caipirinhas bestellt.«
    Ich zuckte die Achseln. »Die sind auf der ganzen Welt beliebt.«
    »Du hast aber dabei › por favor‹ gesagt.«
    »Nein.«
    Sie nickte. »Die Kellnerin war portugiesischer Abstammung, deshalb dachte ich damals, dass du wahrscheinlich nur ein paar Brocken Portugiesisch kannst und ihr eine Freude machen wolltest. Aber als die Techniker dich dann bis Südamerika verfolgt hatten, fiel mir deine Caipirinha-Bestellung wieder ein, und ich habe darüber nachgedacht, wie du bestellt hattest, über deinen Akzent, die große japanische Gemeinde in Brasilien –«
    »Das ist das Problem, wenn man polyglott ist«, sagte ich. »Man vergisst glatt, welche Sprache man gerade spricht.«
    Sie lachte. »Wem sagst du das? Kannst du dir vorstellen, was Belghazi gesagt hätte, wenn ich ihn munter mit ›Schalom‹ begrüßt hätte?«
    Wir mussten beide lachen. Sie sagte: »Jedenfalls hatte ich bei Rio ein gutes Gefühl. Zum Teil weil du gesagt hast, du würdest dich irgendwo niederlassen, wo es sonnig ist, irgendwo am Meer. Aber zum Teil auch … weil ich einfach ein gutes Gefühl dabei hatte. Ich beschloss, einen Versuch zu wagen. São Paulo wäre meine zweite Wahl gewesen. Aber da würde ein Caipirinha doch wohl längst nicht so gut schmecken, oder?«
    »Möchtest du jetzt einen?«
    Sie lächelte. »Es ist zehn Uhr morgens.«
    Ich zuckte die Achseln. »Ich hab ein Zimmer im Copacabana Palace, direkt hinter uns. Wir könnten uns vorher noch ein wenig die Zeit vertreiben.«
    Ihr Lächeln wurde breiter. »Das klingt gut«, sagte sie.
    Vielleicht gehörte das alles nur zu einem größeren Plan, ein Rädchen im Räderwerk. Vielleicht war das schon das Auftragsangebot, und sie war meine Prämie.
    Ich würde es vermutlich nie erfahren. Ihre Motive, das war mir klar, würden mir immer rätselhaft bleiben, die Zeit, die ich vielleicht mit ihr verbrachte, ein Trugbild, ein Kaleidoskop, angetrieben vom Motor meiner eigenen dummen Hoffnungen, eine verlockende Illusion, eine Projektion.
    Andererseits hatte sie mich in Macau vor dem Mann gewarnt, der mir in meinem Hotelzimmer auflauerte. Das war das Einzige, was einfach nicht ins Bild passte, das einzige irritierende Detail. Denn auch nach allem, was ich seitdem erfahren hatte, konnte ich noch immer keinen operativen Vorteil für sie darin sehen. Und
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