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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition)
Autoren: Robert M. Talmar
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Wesentliche wieder: über die Vahatin, jenen besonderen Zweig der Menschen; über Finnig Fokklins Herkunft; und über Uvaithlian, ihrem Wohngebiet im äußersten Nordwesten Kolryns.
    Die dem Buch beigegebenen Karten, wie etwa die Karte des Hüggellandes und andere, habe ich nach den Angaben in der Cethlion-Handschrift (bzw. der mir freundlicherweise überlassenen fotomechanischen Wiedergabe) zum allgemein besseren Verständnis erstellt. Alle Irrtümer, Auslassungen wie auch Übersetzungsfehler bei der Textgestaltung, so sie unentdeckt blieben, gehen zu meinen Lasten.
    RMT
1. ÜBER DIE HERKUNFT DER WICHTE
    Die Wichte waren zweifellos Abkömmlinge der Menschen; doch obschon diese Verwandtschaft bestand (oder deswegen), achtete man sie nicht. Heute gibt es sie längst nicht mehr, was in mehr als einer Hinsicht einen unwiederbringlichen Verlust bedeutet; und wir erinnern uns an sie nur noch in fast vergessenen Märchen und Erzählungen.
    Heute will es uns unvorstellbar erscheinen, aber die alten Berichte lassen keinen anderen Schluss zu   – unsere Welt hat nicht nur die Menschen als denkende Wesen hervorgebracht, sondern vor ihnen schon ein weiteres Volk. Als erste der sogenannten kogoin, der »Denkenden«, wandelten die Gidwargim über Kringerdes schroffe Berge und weiten Ebenen und erfreuten sich an hartem Stein und glitzerndem Kristall. Erst sehr viel später, als die Dwarge schon ihren Zenit überschritten hatten, erwachten die vier Menschenrassen: die Kungdirin. Zuerst die Nodirin, nach ihnen kamen die Arendirin, diesen folgten die Ledirin und endlich die Vindirin.
    Die genauen Umstände, denen die Wichte ihre Entstehung verdanken, lassen sich nicht mehr enthüllen. Zeitweilig (so scheinen es spätere Geschichten zumindest anzudeuten) wohnten Vindirin und Arendirin nahe beieinander, und es gab hin und wieder Vermischungen unter ihnen. Doch die Vereinigung dieser beiden Rassen enthielt einen Makel, der erst selten, dann immer mehr und deutlicher zu Tage trat.
    Manche sagten, es sei die Unverträglichkeit der Arendirin und Vindirin untereinander gewesen, die diesen Makel offenbarte.
    Doch die Weisen der Féar, die Lehrmeister der frühen Menschen, wiesen dies zurück. Sie führten den Makel stattdessen auf einen unter den Arendirin weit verbreiteten Brauch des Schmauchens zurück, dessen Wirkung die Vindirin ihrer Ansicht nach nicht vertrugen.
    Und so trat der Makel bei denen zutage, die am schwächsten waren und für die Vorlieben ihrer Eltern nichts konnten: Viele der diesen Verbindungen entstammenden Kinder wurden kleinwüchsig geboren, zart, schlank und feingliedrig von Gestalt, und sie blieben es ein Leben lang. Nicht missgebildet waren sie, nur bedeutend kleiner und unerklärlich anders   – anders (und Anlass) genug, um Angst zu erzeugen. Nicht selten wurden solche Kinder aus den Dörfern verstoßen und fanden, wenn sie nicht den Wölfen zum Opfer fielen, in ihrem Schicksal in der Wildnis zueinander. Sie bildeten eigene Lebensgemeinschaften, hausten in Höhlen und Hütten, fernab der Wohnstätten der ihnen misstrauenden Menschen. Ein eigenes Volk entstand so nach und nach, das nicht zu den Erwachten gerechnet wurde und das sich später selbst Vahits nennen sollte   – damalshatten sie keinen Namen, oder er ist vergessen worden im Wandel der Zeit.
    Waren die Erwachten   – Nodirin, Ledirin, Arendirin und Vindirin   – im allgemeinen kräftig und meist hochgewachsen, so blieben die Wichte immerfort von kleinem Wuchs, auch wenn sie sich untereinander vermehrten. Im körperlichen Vergleich mit den Großen Menschen sahen diese in den Kleinwüchsigen ein wahrhaftiges Nichts. Die größten Vahits reichten einem Menschen bis eben an den Gürtel; ihr Leibesumfang entsprach dem Beinumfang eines kräftigen Mannes.
    Tatsächlich geht unsere Bezeichnung Wicht auf diesen Größenunterschied zurück, denn sie bedeutet eben nichts anderes als dies: »Ein Nichts, ein Nicht-Etwas«, mit dem zu beschäftigen sich nicht lohnte. »Wichte« wurden sie von den Menschen gerufen oder besser, was in diesem Fall schlechter heißt, geschmäht; Vahits nannten sie sich später selbst, in Verballhornung von Vahatin, d.i. »jene, die sich bewegen«. Niemals hätte sich ein Vahit selbst als Wicht bezeichnet, sondern dies stets als gröbste Beleidigung empfunden.
    Was nun die Menschen anbelangt, so nahmen sie die Vahatin wenig oder kaum zur Kenntnis. Ihnen erschienen sie aufgrund ihrer Körpergröße wie unreife Kinder, und sie
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