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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler
Autoren: Frederick Forsyth
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stellt sich doch nicht, Senator. In den Vertrag sind Prozeduren zur Verifizierung eingebaut, die unseren militärischen Experten einen noch nicht dagewesenen Zugang zum sowjetischen Waffenvernichtungsprogramm gewähren …«
    »Vielleicht ja, Tom, vielleicht auch nicht. Rußland ist ja ein riesiges Territorium. Wir müssen uns darauf verlassen, daß sie nicht im Landesinneren andere, modernere Waffen bauen. Für mich ist die Sache einfach: Ich möchte Amerika stark sehen, und das heißt, daß wir jedes Stück Hardware behalten, das wir haben …«
    »Und weitere Waffen aufstellen, Senator?«
    »Wenn es sein muß, wenn es sein muß.«
    »Aber die Waffenbeschaffung ruiniert allmählich unsere Wirtschaft, das Defizit beginnt aus dem Ruder zu laufen.«
    »Das sagen Sie, Tom. Andere wieder sagen, was unserer Wirtschaft Schaden zufügt, das sind zu viele Sozialhilfe-Schecks, zu viele Importe, zu viele Auslandshilfeprogramme der Bundesregierung. Wir scheinen mehr Geld für das kritische Ausland auszugeben als für unser eigenes Militär. Glauben Sie mir, Tom, es geht mir nicht um Geld für die Rüstungsindustrie, ganz und gar nicht.«
    Tom Granger wechselte das Thema.
    »Senator, abgesehen davon, daß Sie gegen amerikanische Hilfe für die Hungernden in der Dritten Welt und für protektionistische Zolltarife sind, haben Sie auch John Cormacks Rücktritt gefordert. Können Sie diese Forderung begründen?«
    Hapgood hätte den Moderator am liebsten erwürgt. Daß Granger von »Hungernden« und von »protektionistisch« gesprochen hatte, ließ erkennen, wie er zu diesen Fragen eingestellt war. Doch Hapgood wahrte den Gesichtsausdruck brüderlicher Besorgtheit und nickte ernst, aber bedauernd.
    »Tom, ich möchte nur dies eine sagen: Ich habe mich mehrmals gegen Projekte gestellt, für die sich Präsident Cormack eingesetzt hat. Das ist mein gutes Recht in einem freien Land. Aber …«
    Er wandte sich vom Moderator ab, stellte fest, daß auf der Kamera, auf die er es abgesehen hatte, das Rotlicht nicht brannte, und starrte die halbe Sekunde lang hin, die der Regisseur in der »Regie« brauchte, um die Kameras zu wechseln und ihn in Nahaufnahme zu zeigen.
    »… ich lasse mich von niemandem in meiner Hochachtung vor John F . Cormacks Integrität und seinem Mut in schweren Zeiten übertreffen. Und gerade deswegen sage ich …«
    Sein gebräuntes Gesicht hätte aus allen Poren Aufrichtigkeit ausgeschwitzt, wären sie nicht mit Schminke zugekleistert gewesen.
    »… John, Sie haben mehr auf sich genommen, als irgendeinem Menschen zugemutet werden sollte. Um der Nation, der Partei, vor allem aber um Ihrer selbst und Myras willen, flehe ich Sie an, legen Sie die unerträglich gewordene Bürde Ihres Amtes nieder.«
    In seinem privaten Arbeitszimmer im Weißen Haus drückte Präsident Cormack auf einen Knopf an seiner Fernbedienung und schaltete damit den Bildschirm auf der anderen Seite des Raums ab. Er kannte Hapgood und mochte ihn nicht, obwohl sie beide der Republikanischen Partei angehörten; stünde der Kerl vor ihm, er würde es niemals wagen, ihn beim Vornamen anzureden.
    Und doch … er wußte, Hapgood hatte recht. Er wußte, daß seine Kraft beinahe erschöpft, daß er nicht mehr imstande war, Amerika zu führen. Er fühlte sich so elend, daß er kein Verlangen mehr hatte, sein Amt weiterzuführen, ja, daß er nicht einmal mehr am Leben hing.
    Ohne daß er davon wußte, hatte Dr.   Armitage in den vergangenen zwei Wochen Symptome an ihm festgestellt, die ihn zutiefst beunruhigten. Einmal – vielleicht auf der Suche nach dem, was er dann fand – hatte er in der Tiefgarage den Präsidenten nach einem seiner seltenen Ausflüge beim Aussteigen aus seinem Auto angetroffen. Das Staatsoberhaupt hatte das Auspuffrohr der Limousine wie einen alten Freund angeblickt, an den er sich vielleicht wenden würde, um seinen Schmerz zu mildern.
    John F . Cormack nahm wieder das Buch zur Hand, in dem er vor der Fernsehsendung gelesen hatte. Es war ein Band Lyrik, und Lyrikseminare hatte er einst in Yale gehalten. Darin stand ein Vers, an den er sich erinnerte, geschrieben von John Keats. Der englische Dichter, dem wegen seines kleinen Wuchses die Liebe seines Lebens versagt geblieben und der schon mit sechsundzwanzig Jahren gestorben war, hatte die Melancholie wie wenige andere gekannt und ihr unvergleichlichen Ausdruck gegeben. Der Präsident fand die Stelle, die er suchte – aus der »Ode an eine Nachtigall«
    »… denn oft fand
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