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Der Untergang der islamischen Welt

Der Untergang der islamischen Welt

Titel: Der Untergang der islamischen Welt
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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gebracht.
    Zahlreiche Kommentare, vor allem aus den Reihen der linken Intellektuellen, attackierten Abu-Golayyel und lehnten den Vergleich mit Japan und Deutschland strikt ab. Einer von Ägyptens berühmtesten Literaten,
Khairy Shalaby,
sagte, Abu-Golayyel sei sogar »schlimmer als alle Zionisten«. Im Gegensatz zu Japan und Deutschland, von denen die Aggression ausgegangen war und die imperialistische Ziele verfolgt hatten, sahen die arabischen Intellektuellen die islamische Welt in ihrem Kampf um den Irak und Palästina eher in der Position Frankreichs, als es vom nationalsozialistischen Deutschland besetzt wurde. Der französische Widerstand, die Resistance, würde während und nach dem Krieg von allen Seiten gewürdigt. Noch ein Argument aus arabischer Sicht gegen diesen Vergleich lautete: Der Wiederaufbau Japans und Deutschlands sei mit Hilfe der Alliierten erfolgt, die dies allein aus Angst vor dem kommunistischen Einfluss in Europa und Asien getan hätten. Hätte die Sowjetunion keine Ansprüche auf diese Staaten angemeldet, wären Deutschland und Japan heute vermutlich nur rückständige Agrarstaaten.
    Der Vergleich mit Deutschland und Japan mag im Kern nicht passend sein, blicken wir also nach Taiwan. Während der japanischen Invasion wurde die Insel verwüstet, Tausende Frauen vergewaltigt, zahllose Menschen getötet. Nur die Staatliche Universität von Taiwan, die die Japaner selbst 1928 aufgebaut hatten, blieb stehen, als die Japaner das Land verließen. Aus Verbitterung und als Trotzreaktion hätten die Taiwanesen diese Universität sprengen oder schließen können, um an die Greueltaten der Japaner nicht erinnert werden zu müssen. Dennoch entschieden sie sich dafür, die Universität nicht nur zu erhalten, sondern auch zu entwickeln. Stück für Stück bauten die Taiwanesen, ohne fremde Hilfe, ihr Land wieder auf. Bildung war das Rückgrat dieses Prozesses, die von Japanern errichtete Universität und aus dem Japanischen übersetzte Schriften waren dafür wesentlich. Im Jahre 2008 stand die Staatliche Universität von Taiwan in der Rangliste der Eliteuniversitäten der Welt sogar vor den größten japanischen Universitäten. Mit einem pragmatischen Geschichtsbewusstsein gelang es einem kleinen Volk, den früheren Meister und Unterdrücker beinahe zu überholen. Heute arbeiten Japan und Taiwan sowohl wirtschaftlich als auch kulturell sehr eng zusammen.
    Für viele muslimische Intellektuelle, egal ob religiös oder linksorientiert, dient das Argument, durch den europäischen Kolonialismus in der eigenen Entwicklung unterbrochen und zurückgeworfen worden zu sein, als gewichtigste Ausrede für die Rückständigkeit der islamischen Welt: Die westlichen Mächte hätten die kolonialisierten Länder wie Toiletten benutzt und ließen sie in einem erbärmlichen Zustand zurück, sogar ohne die Toilettenspülung zu betätigen. Dies mache Wiederaufbau und Reform beinahe unmöglich. Das drastische Bild zeigt die Selbstwahrnehmung vieler Muslime und wie sehr ihr Geschichtsbewusstsein von Verbitterung und Ressentiment geprägt ist.
    Den Münchner Olympiaberg und die Universität von Taiwan sehe ich als zwei Bilder für die Transformation und die Neutralisierung der Geschichte an; der islamischen Welt gelang es nicht, einen ähnlichen Prozess zu verwirklichen, weil man sich anscheinend in den Trümmern der eigenen Geschichte wohl fühlt.

    Wer einen Blick in aktuelle arabische Schulbücher wirft, wird sofort erkennen, wie verzerrt und einseitig Geschichte gelehrt wird: ein Spagat zwischen einer fehlerfreien, glorreichen islamischen Geschichte, die nur Humanismus und Blütezeiten kannte, und einer reinen Opferrolle in der Gegenwart.
    Im ersten Abschnitt des aktuellen Geschichtsbuchs für die Sekundarstufe in Ägypten werden in selbstverherrlichender Weise die Errungenschaften der arabischen und islamischen Kultur geschildert, gefolgt von einem Kapitel, das darlegt, weshalb die moderne europäische Zivilisation eigentlich gar nicht europäisch sei, sondern in den Bereichen Medizin, Philosophie, Mathematik und Literatur alles den Muslimen zu verdanken habe. Das nächste Kapitel listet auf, was die glorreiche islamische Kultur geschwächt hat: Die mittelalterlichen Kreuzzüge verdeutlichen die Brutalität des Westens; pathetisch wird beschrieben, wie die Kreuzfahrer Jerusalem eroberten und jeden Muslim, der ihnen in die Quere kam, ermordeten.
    Die Schulbuchszene der Erstürmung der Al-Aksa-Moschee durch die christlichen
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