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Der Untergang der islamischen Welt

Der Untergang der islamischen Welt

Titel: Der Untergang der islamischen Welt
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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Staaten allesamt verschwinden. Mir fiel nichts ein außer Erdöl und ein paar schönen Urlaubszielen und vielleicht die Angst vor dem Terror, die manche Leute kitzelt. Darunter würden vermutlich nur die Hersteller von Luxuskarossen leiden, deren beste Kunden in den Golfstaaten leben.
    Ja, die Frage darf gestellt werden, was die gegenwärtige islamische Welt hinterlässt, das der Menschheit zugutekommt. Was sind die Beiträge der islamischen Welt auf dem Gebiet des weltlichen Wissens, der Kunst, der Architektur, um nur drei Bereiche zu nennen? Diese Frage ist leicht mit »wenig« oder »gar nichts« zu beantworten. Warum fällt es denn vielen schwer zu erkennen, dass die islamische Kultur ihren zivilisatorischen Zenit schon längst überschritten hat und nicht mehr imstande ist, sich in die Weltgemeinschaft einzuordnen? Was von der islamischen Geschichte des Denkens übrig geblieben ist, ist meines Erachtens der intellektuelle Schaum einer unversöhnlichen Orthodoxie, und der kann nicht länger in der modernen Welt bestehen. Ein letztes Mal wird der Schaum mit dem Mut der Verzweiflung mit seiner Wut die Oberfläche überziehen, bevor er verschwindet.

    Mit diesem Buch versuche ich zu verstehen, wie es zum Zerfall des Islam kam und was es bedeutet für die Welt von heute, wenn so ein schwerer Körper in ihrer Mitte zusammenbricht, denn dieser Niedergang betrifft uns alle. Hier darf zu Recht die Behauptung auftauchen, die islamische Welt als solche gebe es nicht, denn über eine Milliarde Menschen zwischen Indonesien und Marokko als gleichgeschaltete Masse zu betrachten ist schlicht und ergreifend anmaßend. Das ist richtig, wenn wir die islamische Welt als eine geographische, theologische oder politische Einheit sehen, doch es geht in diesem Buch um die islamische Welt als ein imaginäres Konstrukt namens
Umma,
das als Gemeinschaft alle Gläubigen umfassen sollte; ein Traum, der die Ambitionen des politischen Islam seit seiner Geburt beflügelt. Es geht um die Geisteshaltung vieler Muslime zur Moderne; es geht um den Islam als eine politische Idee, die inzwischen die Substanz verloren und kaum Antworten auf das Weltgeschehen außer Wut und Gewalt parat hat. Um diese islamische Welt geht es.

    Gibt es den
einen
Islam? Eine Frage, die oft hinterhältig gestellt wird, um Islamkritik im Keim zu ersticken. Selbstverständlich ist der Islam in seinen Strömungen und Ausprägungen sehr heterogen, dennoch kann man von
einem
Islam sprechen. Denn diese Unterschiede mögen für Theologen und Ethnologen von Interesse sein, politisch gesehen sind sie allerdings ziemlich irrelevant. Wenn wir vom Islam sprechen, meinen wir nicht volkstümliche Erscheinungsbilder, sondern meist die politische Ideologie, die Geisteshaltung, die dem Glaubenssystem Islam zugrunde liegt.
    Wenn Muslime selbst von Islam sprechen, wenn es etwa um die Einführung von Islamunterricht an europäischen Schulen oder die Beantragung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes geht, ist die Rede von
einem
Islam. Wenn Muslime von der »Religion des Friedens« sprechen, sagen sie nicht, welchen Islam sie damit meinen, aber wenn Islamkritik auftaucht, kommt ein Taschenspielertrick, um die Kritik abzuwürgen: Von welchem Islam reden Sie überhaupt?
    Von welchem Alkohol reden wir denn, wenn wir sagen: »Viel Alkohol schadet der Gesundheit und führt zu Alkoholismus«? Ja, Alkohol wird zur Herstellung von Medizin oder zum Kochen verwendet, doch diese Funktionen stehen nicht zur Debatte, wenn wir von den sozialen Auswirkungen von Alkohol reden. Und Islam ist für mich mit Alkohol vergleichbar. Wenig davon kann sehr heilend und inspirierend wirken, aber wenn der Muslim in jeder Lebenssituation zur Flasche der Dogmen greift, dann wird es gefährlich. Von diesem hochprozentigen Islam rede ich, denn er schadet dem Individuum und gefährdet das Zusammenleben.
    Selbstverständlich können Länder wie die Türkei, Indonesien und Malaysia nicht mit der arabischen Welt gleichgesetzt werden. Die Lage in diesen drei Ländern gilt oft als Hoffnung für die Demokratisierung in der gesamten islamischen Welt, da sie sich in den letzten Jahren in der Bildung und der Wirtschaft gut entwickelt haben. Auch Anfänge einer relativ fortschrittlichen islamischen Theologie sind in diesen Ländern zu beobachten. Doch der Einfluss dieser Länder auf den Rest der islamischen Welt in den Bereichen Bildung und Theologie ist leider marginal. Umgekehrt ist der Einfluss von Saudi-Arabien
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