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Der Untergang der islamischen Welt

Der Untergang der islamischen Welt

Titel: Der Untergang der islamischen Welt
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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etwa über den Klimawandel zu erlangen. Wir können beobachten, dass sich große Teile der islamischen Welt vom weltlichen Wissen drastisch distanzieren und eine unversöhnliche Haltung zum Geist der Moderne einnehmen. Ferner, dass der Fundamentalismus und das Ressentiment gegenüber dem Westen geschwürartig wachsen und ihren furchtbaren Ausdruck finden in Gewalt und Ausgrenzung. Gleichzeitig laufen bei jungen Muslimen Individualisierungsprozesse ab, die exzessiv das Internet nutzen und, je nach finanzieller Situation, ebenso exzessiv moderne Verbrauchsgüter konsumieren und den alten traditionellen Strukturen nicht mehr vertrauen. Diese unterschiedlichen, parallel ablaufenden, sich wechselweise bedingenden und beeinflussenden Entwicklungen können sowohl in Demokratisierung als auch in Massenfanatismus und Gewalt münden. Es kommt darauf an, auf welche Infrastrukturen die abgekapselten Individuen treffen.
    In Ländern wie dem Iran und Ägypten gedeihen sowohl die radikalen Formen des Islam als auch die Bemühungen junger Menschen, sich von diesen Formen zu befreien. Die Fronten sind verhärtet wie noch nie, und eine bittere Konfrontation ist unausweichlich. Der von Samuel Huntington beschworene »Kampf der Kulturen« ist längst Wirklichkeit geworden. Er findet nicht nur zwischen dem Islam und dem Westen statt, wie viele vermuten, sondern auch innerhalb der islamischen Welt zwischen Individualisierung und Konformitätsdruck, zwischen Kontinuität und Innovation.
    Eine politische Reform sowie eine Reform des Islam liegen jedoch in weiter Ferne, da die Bildungssysteme immer noch für Loyalität statt für freies Denken werben. Mangel an Produktivität und eine wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung über die verfahrene politische und wirtschaftliche Situation bescheren den radikalen Islamisten immer mehr Zulauf. Selbst in den finanziell bessergestellten Golfstaaten wird gesellschaftliche und politische Öffnung als Einführung der modernsten Konsumgüter verstanden, nicht als Erneuerung des Denkens.
    Insbesondere am Golf sind die Gesellschaften immer noch tief patriarchalisch geprägt, auch wenn sie sich durch ein zartes, modernes Feigenblatt zu tarnen suchen. In vielen islamischen Ländern werden Frauen zwar zur Bildung zugelassen, aber oft zugleich daran gehindert, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die sogenannten Reformer des Islam trauen sich nach wie vor nicht an die elementaren Probleme der Kultur und der Religion heran. Reformdebatten werden zwar häufig angestoßen, aber nie zu Ende geführt. Kaum jemand fragt sich: »Gibt es möglicherweise einen Geburtsfehler in unserem Glauben?«
    Alle Fragen der Reform beginnen beim Koran und zerbrechen am Ende an diesem erratischen Block der islamischen Kultur. Reformer und Konservative sind nach wie vor vom heiligen Text besessen. Während die einen in ihm die Grundlage für einen Gottesstaat sehen, suchen die Reformer nach positiven Passagen in ihm, die für das moderne Leben taugen. Man schraubt am Vers rum, bis er irgendwie zu den Umständen der heutigen Gesellschaft passt. Kein Mensch traut sich zu fragen, wozu wir den Koran heute brauchen. Keiner wagt den postkoranischen Diskurs. Denn immer wenn die Reformdebatte ernst zu werden droht, werden die alten Ressentiments gegen den Westen durch politische Manipulationen aufgewühlt, um die Reformkräfte als fünfte Kolonne des Abendlandes zu diffamieren und sie dadurch leicht zu diskreditieren oder zu entsorgen. Angst vor Sanktionen, die im schlimmsten Fall mit dem eigenen Tod enden können, halten viele davon ab, in ihren Forderungen weit zu gehen.
    Vom Koran scheine auch ich besessen zu sein und will deshalb zeigen, wie sogar ein Zitat aus dem Koran die islamische Welt durch eine einfache Logik zum Untergang verurteilt. In Sure 13 : 17 steht geschrieben:
    »Er (Gott) sendet Wasser vom Himmel herab, so dass die Täler durchströmt werden, und die Flut bringt den Schaum auf der Oberfläche. Und ein ähnlicher Schaum ist in dem, was sie im Feuer aus Verlangen nach Schmuck und Gerät erhitzen. So verdeutlicht Gott Wahrheit und Irrtum. Der Schaum aber, der vergeht wie die Blasen; das aber, was den Menschen nützt, bleibt auf der Erde zurück. Und so prägt Gott die Gleichnisse.«
    Selbst der Koran legt nahe, dass das, was der Menschheit nicht nutzt, am Ende von der Erde verschwinden muss.

    Mir wurde einmal die mich in Verlegenheit bringende Frage gestellt, was die Welt vermissen würde, sollten die islamischen
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