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Der Untergang der islamischen Welt

Der Untergang der islamischen Welt

Titel: Der Untergang der islamischen Welt
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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Eroberer gleicht einem Horrorfilm. Muslime verstecken sich in der Moschee vor den erbarmungslosen christlichen Kriegern. Diese aber dringen in die Moschee ein und töten alle – Männer, Frauen und Kinder. Siebzigtausend Menschen sollen allein in der Moschee ihr Leben gelassen haben, den Eroberern soll das Blut an den Knien gestanden haben. Abgesehen von der Frage, ob sich diese Szene in Wirklichkeit so abgespielt hat, ist ihre Plazierung an dieser Stelle des ägyptischen Schulbuchs außerordentlich tendenziös. Und suggestiv ist die erste Frage, die den Schülern in den Übungen zu diesem Thema gestellt wird: »Womit erklären Sie die Brutalität der Kreuzzügler, als sie die Moschee erstürmten?« Interessant ist, dass die arabische Bezeichnung für Kreuzfahrer,
salibiyyeen
(Die-mit-dem-Kreuz), eine neue ist. Während der Zeit der Kreuzzüge selbst ( 1096 – 1291 ) nannte man sie lediglich
ferenca,
also die Franken. In der modernen islamischen Geschichtsschreibung legt man viel Wert darauf, die Geschichte des Kampfes zwischen Ost und West religiös zu deuten und zu überhöhen.
    Die Erstürmung einer Moschee durch die Ungläubigen spielt auch im nächsten Abschnitt des ägyptischen Geschichtsbuchs eine wichtige Rolle. Es handelt sich um den Ägyptenfeldzug Napoleons ( 1798 – 1801 ), in dessen Verlauf französische Truppen die Al-Azhar-Moschee in Kairo stürmten und dabei ägyptische Verteidiger töteten.
    Das nachfolgende Kapitel handelt vom Kolonialismus, der die islamische Welt ihrer Ressourcen beraubte und sie in der kulturellen Entwicklung um Jahrhunderte zurückwarf.
    Dann geht es im letzten Kapitel um die Gründung Israels als Ergebnis einer westlichen Verschwörung und als Fortsetzung des Imperialismus in der islamischen Welt. Über die Geschichte der europäischen Juden in Mittelalter und Neuzeit erfahren die ägyptischen Sekundarschüler, dass diese sich in den europäischen Städten in Ghettos zurückgezogen und ein Vermögen angesammelt hätten, bevor sie den Zionismus gründeten. Antisemitismus und Holocaust werden in diesem offiziellen Schulbuch mit keinem Wort erwähnt. Ägyptische Juden, die über Jahrhunderte hinweg und bis zur Gründung Israels im Land lebten und nicht wenig zu den kulturellen Errungenschaften Ägyptens beigetragen haben, finden ebenfalls keine Erwähnung.
    Die Schulbuchautoren waren darum bemüht, sämtliche Informationen und Aspekte zu unterdrücken, die geeignet wären, Interesse an, Sympathie für oder Mitgefühl mit Juden entstehen zu lassen, was die Homogenität des Feindbilds von Israel trüben könnte. Man fragt sich, wie sähe die islamische Geschichte ohne »die anderen« aus, ohne die Feinde, quasi die innere Geschichte der islamischen Welt?
    Die Abfolge der Kapitel im Schulbuch ist bemerkenswert: Zunächst werden die kulturellen Verdienste der Araber dargelegt und die Art und Weise, wie die Europäer vom arabischen Wissen profitiert haben. Darauf folgt die Schilderung dessen, was Europa dem Islam angetan hat, vor allem die Zerstörung und die Entweihung der Heiligtümer. Die eigenen Versäumnisse und Aggressionen und Eroberungskriege des Islam werden entweder übergangen oder als rechtmäßige Kriege zur Erleuchtung der heidnischen Völker durch die islamische Lehre dargestellt. Die Kriege, die man selbst anzettelte, nennt man
fath,
also Öffnung mit einem göttlichen Auftrag. Die Kriege der anderen nennt man
ghazw
, also Invasion. Das ägyptische Lehrwerk der Sekundarstufe räumt nur eineinhalb Seiten dem Überfall der Mongolen im 13 . Jahrhundert ein, als Bagdad verwüstet wurde.
    Obwohl diese Invasion, verglichen mit den Kreuzzügen, wesentlich brutaler war und weitreichende Folgen für den Zerfall der muslimischen Zivilisation hatte, findet sie kaum Beachtung. Die Zerstörung von Bibliotheken, die Vernichtung von Büchern, die Tötung vieler Denker und die Verschleppung begabter Handwerker nach Zentralasien, all das schwächte die islamische Kultur drastisch und leitete die Distanzierung des Islam von einer Kultur des Wissens ein und trug auch zum Wiedererwachen der Dschihad-Ideologie bei. Die Marginalisierung dieses mongolischen Überfalls im ägyptischen Schulbuch und darüber hinaus im offiziösen Geschichtsbild der meisten islamischen Staaten liegt daran, dass die Mongolen heute nicht mehr als Weltmacht existieren und den Muslimen nicht mehr in der Abgrenzung zur Schärfung der eigenen Identität zu dienen vermögen.
    Wenig also über mongolische
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