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Der Untergang der Götter - Die Rückkehr (German Edition)

Der Untergang der Götter - Die Rückkehr (German Edition)

Titel: Der Untergang der Götter - Die Rückkehr (German Edition)
Autoren: Stefan M. Ritter
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die Stunden und unwillkürlich trieb es ihn mehr und mehr in Richtung des Zentrums, dort wo der Serapis thronte – ein Zeichen der Macht und vollkommener Beherrschung, unnahbar und Ehrfurcht gebietend zugleich. In einer Seitengasse wurde ein Markt abgehalten, doch alles geschah in relativer Stille. Kein lauter Marktschreier, keine Käufer, die feilschten und sich beschwerten. Über allem lag eine Atmosphäre der Bedrückung, die fast körperlich zu spüren war.
    Plötzlich sprang er zur Seite und drückte sich in den Schatten eines Hauseinganges. Eine Prozession kam ihm entgegen, angeführt von zehn Priestern, deren graue Gewänder im Wind unstet flatterten. Dahinter folgten zahlreiche Menschen, ihre Blicke demütig gen Boden gerichtet, in einen monotonen, düsteren Singsang vertieft. Es war eine Prozession zu Ehren Thuraans, dem Gott dieser und vieler anderer Städte.
    Hass rührte sich in ihm, doch er blieb verborgen im Schatten und beschränkte sich darauf, zu beobachten. Und so schaute er zu, wie die Priester nur wenige Schritte entfernt an ihm vorüber schritten, sah ihre kalten, abwesenden Blicke, denen jegliches Mitleid fremd war. Direkt hinter ihnen trugen vier von ihnen eine Bahre, auf der eine junge Frau lag. Ihre Augen waren geschlossen, offenbar schlief sie oder war ohnmächtig. Das Ende bildete eine Eskorte von zehn Wächtern, deren Hände auf ihren Schwertern lagen, als erwarteten sie jeden Augenblick einen Angriff.
    »Verfluchte Priester!«, zischte ein kleiner, kahlköpfiger Mann, der neben ihm stand und voller Hass auf die Priester starrte. »Führen sich auf, als wären sie die Herren Borams. Und das nur, weil sie Thuraan dienen.«
    »Was ist mit dem Mädchen?«, wollte der Fremde wissen.
    Der Glatzköpfige zuckte mit den Schultern, sein Gesicht verdüsterte sich, aber auch Angst sprach daraus.
    »Es ist schon die zweite in diesen Monden. Es werden immer mehr, die Thuraan verlangt. Immer mehr.« Mit diesen Worten spuckte er aus und verschwand in der Menge, als hätte es ihn nie gegeben.
    Der Fremde schaute ihm nach, überrascht über die Wut und Angst, die aus den Worten des Mannes gesprochen hatten. Er zögerte kurz, folgte dann aber doch der Prozession, die sich in Richtung des Serapis bewegte. Er wusste nun, was dem Mädchen bevorstand und hätte versuchen können, ihr zu helfen. Doch das wäre eine sinnlose Tat gewesen, und so musste er sie ihrem grausamen Schicksal überlassen. Was hätte es genutzt, ein Leben zu retten, wenn dadurch seine Aufgabe unmöglich gemacht worden wäre. Eines Tages aber, das schwor er sich in diesem Augenblick, würde Thuraan dafür bezahlen, doch noch war dieser Tag nicht gekommen.
    Es dauerte eine Weile, bis die Priester vor dem Serapis angekommen waren. Ein großzügig angelegter Platz umgab in Form eines Halbkreises den Turmeingang, der sich einige Schritte höher als der sonstige Boden befand. Große, glänzend polierte Steinstufen führten vom Platz hinauf zum Eingang.
    Die Priester drehten sich zur Menge, priesen mit überschwänglichen Worten den Gott Thuraan, der seine schützende Hand über Boram hielt, und verschwanden im Inneren des Turms. Das schwarze Tor schloss sich mit einem lauten Krachen hinter ihnen und die Menge zerstreute sich wieder, auch die Wächter, deren Aufgabe offensichtlich getan war, marschierten fort.
    Nur der Fremde blieb stehen und starrte noch eine Weile auf den Serapis , vor dessen Eingang zwei Priester zurückgeblieben waren und wie leblose Statuen dastanden; er spürte die Nähe Thuraans, fühlte seine Macht und Gefährlichkeit wie die eines wilden Tieres.
    Wie wünschte er sich, den Serapis zerstören und Thuraan seine Macht entreißen zu können! Die Stadt wurde vom Gift des verhassten Gottes langsam zerstört, und Thuraan würde erst dann ablassen, wenn er alles aus der Stadt heraus gepresst hatte, was ihn interessierte. Und es gab nichts, was einen Gott aufhalten konnte. Jedenfalls fast nichts.
    Ein kaltes, düsteres Lächeln entstand auf seinen Lippen. Die Menschen, die ihm zufällig ins Gesicht blickten, als sie an ihm vorbei kamen, wichen unwillkürlich zurück und beeilten sich, ihrer Wege zu gehen.
    Doch den Fremden kümmerte das nicht; er drehte sich um und ging zurück in die Schenke, um sich auf das vorzubereiten, was er jetzt zu tun hatte. Er durfte nicht zu voreilig sein, aber er durfte sich auch nicht zu viel Zeit lassen. Beides war gefährlich, und beides konnte zu seinem Untergang führen.
     
    ***
     
    Chrenar,
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