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Der Untergang der Götter - Die Rückkehr (German Edition)

Der Untergang der Götter - Die Rückkehr (German Edition)

Titel: Der Untergang der Götter - Die Rückkehr (German Edition)
Autoren: Stefan M. Ritter
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eng um sich gewickelt, denn der Morgen war genau wie die Nacht empfindlich kalt zu dieser Jahreszeit. Die Kälte verbiss sich in ihren Körper, schmerzte, und doch tat sie ihr wohl, denn sie half ihr, klarer zu denken.
    Sie sah aus den Augenwinkeln die Wachablösung auf den Türmen, spürte die Blicke der Wächter auf ihren Schultern und zog sich noch enger in den Mantel hinein, als könnte sie sich damit deren Augen entziehen. Augen, die lüstern und gierig nach ihr starrten.
    Noch war sie zu jung, um einem Mann versprochen zu werden, aber die Zeit kam näher, und auch das war etwas, was ihr Sorge bereitete. Denn bislang hatte sie noch keinen Mann in Boram getroffen, der ihr Interesse wert gewesen wäre. Ganz im Gegenteil, die meisten von ihnen waren ihr sogar ausgesprochen widerwärtig. Sie träumte von weit entfernten Ländern, davon, sie zu bereisen und Abenteuer zu erleben; hoffte auf eine Welt ohne die Dunklen, in der man sich frei bewegen konnte, aber mit diesen Gedanken fand sie sich allein. Zwar hatte sie einige lose Freundinnen, doch diese teilten ihre Gedanken nicht, das hatte sie früh erfahren müssen. Und die Männer in Boram kannten nur die tägliche Arbeit und das Aufsuchen der Schenken, um sich zu betrinken.
    Sie drehte sich um und ging über den freien, nur an wenigen Stellen von Steinen besetzten Platz zurück in die Stadt, die den lauten und groben Geräuschen zufolge inzwischen ebenfalls erwacht war. Die Schönheit, die die aufgehende Sonne eben noch in die Welt geworfen hatte, erlosch, um der rauen Wirklichkeit Platz zu machen.
     
    ***
     
    Als am nächsten Morgen der erste Sonnenstrahl ins Zimmer fiel, sprang er auf und trat ans Fenster. Obwohl er nicht geschlafen hatte, fühlte er sich erholt und voller Kraft, ein Gefühl unbändiger Macht pulsierte in seinen Adern.
    Minutenlang beobachtete er, wie die Sonne zunehmend an Kraft gewann und die Stadt langsam erwachte. Es war nur ein fahles, schwaches Licht, aber er hatte fast vergessen, wie schön das Licht der Sonne sein konnte, und für lange Zeit stand er einfach nur da und genoss den Anblick des Lichts.
    Wie sehr hatte er dieses Gefühl vermisst! Wie lange hatte er in völliger Dunkelheit vegetieren müssen wie ein Tier! Wie groß war sein Schmerz gewesen! Seine Haut prickelte unter dem Einfluss der Sonne, als flösse eine unsichtbare Kraft durch sie hindurch. Er war den Alten Göttern dankbar für diese zweite Chance, vielleicht doch noch seine Aufgabe vollenden zu können. Nach seiner Verbannung hatte er sich nicht mehr vorstellen können, erneut auserwählt zu werden, sein Schicksal schien unabänderlich zu sein.
    Er wandte sich mit einem Ruck vom Fenster ab und trat zu dem kleinen Spiegel, der neben der Tür hing. Nach kurzem Zögern schaute er hinein und betrachtete sein Gesicht, das er kaum mehr wiedererkannte. Seine Haare waren lang und zerzaust, doch am meisten wunderte er sich über die Blässe seines Gesichts, das ausgemergelt und zutiefst müde wirkte.
    Die Blässe hatte er der ewigen Dunkelheit zu verdanken, in der er so lange gefangen gewesen war, doch auch sie hatte nicht das Feuer löschen können, das in seinen Augen mit einer Wildheit brannte, die ihn zufrieden stimmte. Seine Augen! Er hatte nicht gewusst, dass sie schwarz geworden waren, doch im Grunde wunderte es ihn auch nicht, denn es passte jetzt zu ihm.
    Er lächelte und band sich die Haare nach hinten zu einem Zopf zusammen. Die Wunde an seiner Wange hatte sich über Nacht schon fast geschlossen und würde in Kürze gar nicht mehr zu sehen sein. Die Magd – Mela war ihr Name, wenn er sich recht erinnerte - würde sich wundern, wenn sie es sah.
    Mit einem Ruck wandte er sich von seinem Spiegelbild ab und öffnete die Zimmertür. Im Flur fand er einen Stapel neuer Kleidung, von denen er eine schwarze Hose, ein Hemd und einen langen, grauen Mantel auswählte. Seine alten Sachen faltete er zu einem Stapel und betrachtete sie mit einem nachdenklichen, fast melancholischen Blick. Viel hatte er mit ihnen erlebt und sie trugen die Spuren all seiner Kämpfe auf sich. Mit zusammengepressten Lippen legte er sie neben der Tür ab, da er sie jetzt nicht mehr brauchen würde. Fast war es ihm, als würde er ein Leben beenden und ein neues beginnen.
    Dann ging er hinab in die Schenke und ließ sich ein Frühstück bringen.
    »Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen?«, begrüßte ihn Frerin, der ihn selber bediente. Als er seine Augen sah, zuckte der Wirt zusammen. Der Fremde erwiderte
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