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Der unsichtbare Killer

Der unsichtbare Killer

Titel: Der unsichtbare Killer
Autoren: Peter F. Hamilton
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seit Freitag den Himmel über den Häuserdächern sporadisch entflammten.
    Detective dritten Ranges Sidney Hurst sah Horden von Nachtschwärmern stolpernd über den vereisten Bürgersteig ziehen, hörte, wie sie sich lauthals begrüßten oder rüde anmachten, je nachdem, wie zugedröhnt sie waren. Schnee, Eis und Matsch beeinträchtigten den in die Fahrbahn eingearbeiteten Smartdust. Das Winterwetter brachte die mikroskopisch kleinen Sensorpartikel komplett durcheinander und ließ ganze Bereiche des die Straßen der Stadt regulierenden Metagefechts blind werden, was das Fahren mit dem Autopiloten zu einem gefährlichen Glücksspiel machte. Sid steuerte den zivilen Streifenwagen manuell, beließ es allerdings angesichts der Straßenglätte bei der automatischen Anpassung des Raddrehmoments. Die Winterreifen boten eine passable Rutschfestigkeit, verbesserten die Lenkfähigkeit und ermöglichten es ihm, mit sagenhaften fünfunddreißig Stundenkilometern die Collingwood Street entlang- und an der Kathedrale vorüberzugondeln. Unermüdlich bildete das Radar auf der Windschutzscheibe Annäherungssymbole ab, die ihn gerade in diesem Moment vor den hohen schmutzigen Schneedünen warnten, welche die städtischen Schneepflüge am Fahrbahnrand aufgetürmt hatten.
    Es hatte jetzt seit zwei Tagen ununterbrochen geschneit, und bei den sich hartnäckig unter minus zehn Grad haltenden Tagestemperaturen konnte kein Schnee schmelzen, und so lagen die aparten georgianischen Steinbauten im Stadtkern nun da wie in Dicken’scher weihnachtszeitlicher Pracht.
    Eine weitere Annäherungswarnung blinkte rot auf, zeigte die groben Umrisse eines Mannes, der direkt vor dem Wagen die Straße überquerte; er lachte und johlte, als Sid scharf ausscherte, um ihn nicht über den Haufen zu fahren. Eine letzte obszöne Geste, und das Schneegestöber hatte ihn wieder verschluckt.
    »Der erlebt den Morgen garantiert nicht mehr«, warf Ian Lanagin von seinem Platz auf dem vorderen Beifahrersitz aus ein.
    Sid schaute kurz zu seinem Partner hinüber. »Bloß eine weitere Zwo-null-eins-Akte«, stimmte er zu. »Willkommen zu Hause.«
    »Jo, Mann, die reinste Wiedersehensparty ist das hier.«
    Es war verrückt, dass bei diesem Wetter so viele Menschen unterwegs waren; allerdings war Newcastles üblicher Nachtclub-Dresscode–T-Shirt für die Jungs und kurzer Rock nebst Glitzerabsätzen für die Mädchen – ausnahmsweise einmal unter dicken, knöchellangen Mänteln verschwunden. So kalt war es. Sid hatte sogar die eine oder andere zweckmäßige Mütze ausmachen können, was nachgerade ein Novum darstellte im Hinblick auf die fünfzehn Jahre, die er inzwischen bei der Polizei von Newcastle war.
    Selbst bei dem Stand der Dinge in seinem Leben – verheiratet, zwei Kinder, eine Karriere, die nicht ganz so dynamisch verlaufen war, wie er sich das eigentlich vorgestellt hatte – wunderte er sich bisweilen ein wenig, dass er noch in Newcastle hockte. Er war einem Mädchen von London aus hierher gefolgt, wo er – wie alle Absolventen der Rechtswissenschaft um die Mitte zwanzig – seine Laufbahn damit in Gang zu bringen versucht hatte, dass er in abwechselnden Jobs bei der Polizei und bei privaten Sicherheitsdiensten wie ein Elektron zwischen Verbindungsportalen hin und her getitscht war. Gewissermaßen als große romantische Geste hatte er dann seine Versetzung zur hiesigen Stadtpolizei beantragt, bei der er seine Karriere für ein paar Jahre gleichermaßen zielführend vorantreiben und trotzdem die Nächte zusammen mit Jacinta im Bett verbringen konnte. Und heute, fünfzehn sprichwörtlich sibirische Winter und saharische Sommer später, war er immer noch hier. Verheiratet mit Jacinta (was zumindest gesunden Menschenverstand bewies), Vater von zwei Kindern und mit einem beruflichen Werdegang, der genau die Richtung genommen hatte, über die er während seiner so lang schon zurückliegenden Jahre an der Uni immer nur höhnisch gelacht hatte; damals, als er noch voller Leidenschaft und Überzeugungen gewesen war. Damals, als er für die von der aktuell am Ruder sitzenden Generation und für die von den überall lauernden Übeln der Zanth verhunzte Welt nichts übrig gehabt hatte als Verachtung. Doch mittlerweile hatten Erfahrung und die damit einhergehende Einsicht ihn auf den vernünftigeren Pfad des Dienstschiebens und Networkings gebracht. Das sollte genügen, den finalen Karriereschwenk in die Wege zu leiten, der ihn für die letzten zwanzig Jahre bis zu seiner
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