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Der unsichtbare Killer

Der unsichtbare Killer

Titel: Der unsichtbare Killer
Autoren: Peter F. Hamilton
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Parklandschaft gewandert waren, kletterten jetzt die senkrechte Bastion hinauf; ihre zudringlichen, hartnäckigen Ausläufer griffen den Stein an, bis er abzuplatzen und abzubröckeln begann. So schufen sie zufällige organische Höhlungen zwischen den ursprünglichen Wasserspeiern und der Kannelierung. Die herrschaftlich stattlichen Fassaden mit ihren tausend Fenstern, durch die einst Nacht für Nacht kaiserliches goldenes Licht geschienen hatte, waren jetzt nur noch zerfallene, absackende Hüllen ihres ehemaligen Selbst. Und die glitzernden Fenster waren nur noch leere Alkoven ohne jedes Glas.
    Das Shuttle landete einhundert Meter vom Ende des Westflügels entfernt auf dem Boden. Angela war darauf vorbereitet, es jederzeit wieder hochzuziehen; sie fürchtete, mit jeder Bewegung eine letzte Katastrophe auslösen zu können, in der das vom Lauf der Zeit arg mitgenommene Gebäude endgültig zusammenbrach. Aber nichts rührte sich draußen, keinerlei Beben ging durch das zerbrochene Gestein. Die alte Stätte würde noch ein paar weitere Jahre überdauern.
    »Ich habe euch doch gesagt, dass es echt ist«, sagte sie zu den drei Kindern, die sich um sie scharten. »Kommt, schauen wir es uns an.«
    Sie rannten hinaus und liefen auf eine Rasenfläche, die einmal so eben und weich gewesen war, dass man Golf auf ihr hätte spielen können. Ihre schrillen, glücklichen Schreie wurden von der stillen Sommerluft aufgesogen. Obwohl Angela sich Mühe gab, konnte sie sich nicht erinnern, ob es auf New Monaco irgendwelche gefährlichen Tiere gab. Ihre natürlichen Erinnerungen waren zurzeit komplett hinüber – alles Wichtige war in ihrer Unterstützungsneurologie untergebracht, und eines Tages würde sie sich auch daranmachen, alles ordentlich in ein Verzeichnis aufzunehmen. Aber da die Kinder alle Dn-Bänder an den Handgelenken trugen, spielte es sowieso keine Rolle.
    Sie setzte ihre Sonnenbrille auf und schützte sich vor der grellen Sonne, die von einem violett gefärbten Himmel schien.
    »Hast du hier wirklich gelebt, Großmutter?«, fragte die kleine Hollyn, deren goldene Ringellöckchen auf und ab wippten, während sie von einem Fuß auf den anderen hüpfte. Holyn konnte nie still sitzen, genauso wenig wie ihre Mutter Scyritha.
    Angela suchte den Fuß der Mauer ab und sah die tiefere Delle im Kriechpflanzendickicht; dort musste sich der Torbogen zum Innenhof befinden. »Ja, Süße, habe ich. In einem der inneren Bereiche.«
    »Dann bist du wirklich eine Prinzessin?«, fragte Octavio mit seinem ständigen frechen Lächeln.
    »Das war ich, Liebling, vor einer sehr langen Zeit.«
    »Es muss toll gewesen sein.«
    »Das Universum war damals anders, aber nein, eigentlich auch wieder nicht. Ich hatte meinen Spaß, weiter nichts.«
    Sie erlaubte ihnen jetzt, vorauszulaufen und so zu tun, als wären sie irgendwelche Forscher, während sie zu dem Hain aus acht uralten Eichen ging. Dies war ein Platz, den sie auch finden würde, ohne eine Anfrage an ihre Unterstützungsneurologie schicken zu müssen. Als sie das letzte Mal hier gestanden hatte, waren die Eichen noch Schösslinge gewesen, hatten ihr kaum bis an die Schulter gereicht. Heute näherten sie sich ihren letzten Jahrzehnten; ihre riesigen Stämme waren knorrig, die Rinde verrottete, und tote, abgebrochene Äste ragten in den stillen violetten Himmel.
    Genau in der Mitte des Hains befand sich eine schlichte achteckige schwarze Marmorsäule. Sie stand auf einem Podest, das allerdings schon vor langer Zeit unter Moos und Kriechpflanzen verschwunden war.
    Angela legte eine einzelne rote Rose auf den verwitterten Marmor. »Hallo, Daddy«, sagte sie. »Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Aber, oh, du müsstest das Leben sehen, das ich bisher hatte. Ich denke, du wärst stolz auf mich. Das denke ich wirklich. Unsere Familie ist jetzt so groß, und so großartig. Du hast dafür gesorgt, dass es geschehen konnte, Daddy. Du hast mich bekommen, und dafür bin ich dir so dankbar. Ich danke dir.«
    Sie wischte sich mit einer Hand eine Träne weg, die unter ihrer Brille durchgerutscht war. Dann drehte sie sich um und kehrte zu den Kindern zurück, die einen der großen Teiche mit den Springbrunnen gefunden hatten. Sie lachten, während sie die steile moosbedeckte Schräge hinunterrutschten.
    Hollyn grinste, als Angela zu ihnen trat. Ihr kleiner Arm wedelte in Richtung des riesigen Palastes. »Wie viele Menschen haben da gelebt, Großmutter? War unsere Familie damals auch so
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