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Der unheimliche Kommissar Morry

Der unheimliche Kommissar Morry

Titel: Der unheimliche Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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männliche Stimme, die sich fast so anhörte, als käme sie aus dem Trichter eines alten Grammophons.
    „Am Apparat", erwiderte er. Dabei spannten sich seine Muskeln, als müsse er einer drohenden Gefahr ins Auge blicken.
    Warum? Es war nichts geschehen, was seinen Argwohn wecken konnte. Wurde er plötzlich ein Opfer des schlechten Gewissens? Trotz seiner demonstrativ zur Schau getragenen Ruhe und trotz der Sicherheit seines Auftretens, die in krassem Gegensatz zur Art seiner Lebensführung standen, war auch Ashton Cabott von derlei Regungen nicht ganz frei. Aber warum meldeten sie sich gerade jetzt zu Wort?
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Ruhe .. . eine lastende, bedrückende Ruhe, die seine Befürchtungen verstärkte.
    „Wer spricht dort?" fragte er scharf.
    „Mein Name tut nichts zur Sache", erklärte der Teilnehmer in seiner kühlen, distanzierten Art. „Sie dürfen mich Meister nennen. Wie ich in Erfahrung zu bringen vermochte, verfügen Sie über ein beträchtliches Vermögen. Soweit mir bekannt ist, beläuft es sich zur Zeit auf fünfzigtausend Pfund. Etwa die Hälfte davon ist in Aktien und Obligationen angelegt. Ich möchte Sie bitten, diese Papiere binnen einer Woche flüssig zu machen. Nach Ablauf dieses Termins lasse ich Ihnen Bescheid zukommen, wann und wo Sie den Gesamtbetrag von fünfzigtausend Pfund an mich zu zahlen haben."
    Jetzt, da sich Ashtons instinktiver Argwohn bestätigte und die ungeheuerliche Forderung wie ein dröhnender Gong in seinem Inneren nachklang, wurde er eiskalt. Am anderen Ende der Leitung stand ein Mann, der mit den gleichen Waffen kämpfte wie er selbst. Ein rücksichtsloser Erpresser. Ashton lächelte düster.
    Mich legst du nicht herein, dachte er. Irgendwie stelle ich dir eine Falle, und du wirst hineinlaufen. Ich kehre den Spieß einfach um. Es gibt keinen Mann in ganz England, der es in dieser Hinsicht mit Ashton Cabott aufzunehmen vermag. Keinen! Er war freilich auf der Hut. Der Fremde rief nicht ohne Grund an. Er mußte etwas in Erfahrung gebracht haben . . . irgendeine Kleinigkeit, die er jetzt als seinen großen Trumpf auszuspielen versuchte. Was war es? Wo lag der Fehler, der ihm, Ashton Cabott, bei einem seiner wohlvorbereiteten Unternehmen unterlaufen war? Ashton zwang sich zu einem lauten Lachen. Unter den gegebenen Umständen fiel es bemerkenswert natürlich aus.
    „Bist du es, Bill? Oder du, James?" trompetete er mit gekünstelter Fröhlichkeit in die Muschel. „Gib dir keine Mühe! Ich kenne deine faulen Witze zur Genüge und habe nicht die Absicht, auf sie hereinzufallen!"
    Ein paar Sekunden lang war es ruhig, dann sagte der Teilnehmer am anderen Ende der Leitung: „Hier ist weder Bill noch James. Hier spricht der Meister. Sie werden sich meinem Befehl fügen, wenn Sie nicht wollen, daß Ihre Karriere im Zuchthaus endet. Sie wissen, daß Sie genug auf dem Kerbholz haben, um für die nächsten zehn Jahre dort landen zu können."
    „Wer, zum Teufel, sind Sie?"
    „Sie werden mich nie kennenlernen."
    „Vermutlich sind Sie aus dem Irrenhaus entsprungen!" sagte Ashton wütend. Er merkte, daß ihm die überlegene Ruhe des anderen an die Nerven ging.
    Der Fremde räusperte sich.
    „Lassen Sie den Unsinn, Cabott. Sie mögen glauben, daß ich bluffe und auf vage Vermutungen angewiesen bin, aber in diesem Punkt täuschen Sie sich. Ich habe konkrete Beweise vorliegen. Einen davon finden Sie in der Morgenpost. Den anderen entdecken Sie in den Mittagsausgaben der Zeitungen."
    Ashton durchzuckte es scharf. Warum hatte er die Morgenpost noch nicht durchgesehen? Der Butler hatte sie mit dem Frühstück hereingebracht, aber Ashton hatte sie unbeachtet auf dem silbernen Tablett liegen gelassen. Er war in Gedanken zu sehr mit Constance beschäftigt gewesen, als daß er Lust verspürt hätte, die Briefe zu lesen.
    „Ich rufe heute Nachmittag nochmals an", sagte der Fremde. „Und zwar um drei Uhr. Ich erwarte, daß Sie zu Hause sein werden."
    Es klickte. Das Gespräch war beendet. Ashton ließ den Hörer sinken und schaute ihn an wie etwas Fremdes, Ungeheuerliches. Er hatte das Telefon oft genug benutzt, um mit verstellter Stimme und genau einstudierten Worten seine Opfer zu erschrecken. Jetzt wurde die gleiche Technik gegen ihn zur Anwendung gebracht. Das schockierte ihn mehr, als er im Moment zuzugeben wagte. Er legte den Hörer langsam auf die Gabel zurück und spürte, daß kalter Schweiß an den Innenflächen seiner Hände klebte. Mit einem Taschentuch rieb
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