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Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition)
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
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Folgen weder für ihre Umwelt noch für sie selbst tragbar waren? War diese Welt zu klein für ihr Denken, für ihr Vorstellungsvermögen?
    Für mich ist diese Welt auch zu klein, deswegen habe ich ein Labor auf einem anderen Planeten, und ich mache Ausflüge ins Universum. Ich verstoße gegen die Regeln. Ich bin böse. Doch ich hasse niemanden. Ich verfolge nur meine Ziele. Greta hasste mich, sie rächte sich an mir – wofür? Dass ich nicht mehr zustande gebracht habe, als Werksleiter zu werden? Aber die S-bots! Dass ich die Welt nicht besser für sie eingerichtet habe? Aber ich bin doch kein Gott!

    Autos, Schiffe, Fabriken, Kraftwerke schwebten schwerelos im Raum, dazwischen unsere Steuerungen. Das Hologramm neben mir war das neueste Werbemittel, es sollte in allen Niederlassungen von D’Wolf dort eingesetzt werden, wo Mitarbeiter Kontakt mit Kunden hatten, aber auch bei ausgewählten Partnern. Ich war der Produzent der Steuerungen, also zeigte das Hologramm vornehmlich diese. Nachdem die anderen Gegenstände eine Zeitlang im Vordergrund gegaukelt hatten, zogen sie sich in den Hintergrund zurück, verschwanden, und neue Gegenstände heischten nach Aufmerksamkeit. Das zweite Hologramm zeigte Bilder in vergoldeten oder versilberten Holzrahmen, sie wiesen Abstufungen und Verzierungen auf. In den Rahmen Produkte von D’Wolf, Diagramme und technische Beschreibungen sowie Anwendungen. Die meisten Vortragenden bei dem Meeting in unserem Berliner Hauptquartier hatten das zweite Hologramm gewählt. Es gibt eine Gemeinsamkeit zwischen Ingenieuren und Kaufleuten: Alle haben sie keinen Geschmack. Ich bin der einzige Ingenieur, der das merkt.
    Das Programm hieß Granularity, war ein Kind der Unternehmensplanung und unser Bereich der Pilot. In einer feinkörniger gewordenen Welt kann man Marktsegmente immer präziser abgrenzen. Das ist keineswegs nur eine Aufgabe für das Marketing, sondern vor allem eine für die Produktentwicklung, deswegen hielt ich als Ingenieur den zentralen Vortrag. Es ging darum, mit Hilfe der verfügbaren Datenmengen herauszufinden, wo die besten Wachstumschancen bestanden, und dann die Strukturen exakt den Teilmärkten anzupassen.
    Was hält D’Wolf eigentlich zusammen? Die Frage wird regelmäßig gestellt, damit der, der sie vorbringt, sie jeweils mit sich selbst beantworten kann. Der Vorstandsvorsitzende mit Leadership, der Finanzvorstand mit der Investitionspolitik, die Unternehmensplanung mit der Strategie, der Personalvorstand mit den Auswahlkriterien für die Mitarbeiter. Ich stehe nicht hoch genug in der Hierarchie, um die Frage mit mir selbst zu beantworten. Die Produkte und Dienstleistungen von D’Wolf üben eine bestimmte Schwerkraft aus, sie ziehen sich gegenseitig an. Auch wenn wir immer mehr Dienstleistungen verkaufen, wir bleiben eine Hardware-Firma.
    Aber die Schwerkraft der Produkte reicht nicht mehr aus, um D’Wolf vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren, das wird mir jedes Mal klar, wenn ich das Hauptquartier besuche, deswegen halte ich mich so ungern dort auf. Der Leader ist keiner. Die Nachhaltigkeit der Finanzinvestitionen ist in erster Linie eine Folge des Mangels an Phantasie. Die Auswahlkriterien für die Mitarbeiter und die Strategien der Unternehmensplanung gehen vor allem mit der Mode.
    Es muss noch etwas geben, was D’Wolf zusammenhält. D’Wolf expandiert schneller als nach der letzten Version des Langfristplans vorgesehen. Die Aufkäufe und die Fusionen haben zugenommen, siehe Toji, die Wiederverkäufe ebenfalls, siehe auch Toji. Wenn das Etwas stark genug ist, wird D’Wolf immer weiter expandieren. Wenn nicht, kommt die Expansion zu einem Ende, D’Wolf zerfällt in Einzelteile. Aber auch im Fall der weiteren Expansion werden sich die Teile voneinander entfernen. In der Vergangenheit haben sie sich aneinander gerieben, in der Gegenwart berühren sie sich noch. In der Zukunft werden sie einander überhaupt nur noch auf Charts wahrnehmen. Sie werden einsam und kalt sein. Wie ich jetzt schon.
    Ich hatte den Finanzvorstand länger nicht gesehen, er musste krank sein. Sein schmaler blonder Haarkranz war verschwunden, sein Kopf völlig kahl. Die Backen glänzten rötlich und standen aus dem sonst eingefallenen Gesicht hervor. Seine Augen ohne Augenbrauen quollen aus den Höhlen. In der Jugend Gewichtheber, hatte er einen Stiernacken besessen, jetzt war der Hals der eines alten Mannes, die beiden vorderen Sehnen hingen herunter. Sein Gesicht, seine Hände so weiß wie
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