Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition)
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
Vom Netzwerk:
fand ich heraus, er arbeitete ebenfalls bei der Unternehmensplanung, allerdings war er in der Hierarchie niedriger angesiedelt als Cathleen Nebe. Er teilte lediglich mit, er sei am Mittwoch der nächsten Woche um zwanzig Uhr in einem Berliner Restaurant, er schrieb nicht einmal, dass er mich erwarte.
    Ingenieur wie ich, war er auch mein Geburtsjahrgang. Im Intranet fand ich jedoch nur das völlig nichtssagende Schwarz-Weiß-Portrait eines Vierzigjährigen. Er wurde in einigen Artikeln der Wirtschaftspresse erwähnt, jeweils im Zusammenhang mit dem Kauf von Unternehmen. Bei Google kam nur ein Foto in Frage. Es zeigte einen Mann, der eine Säulenhalle betrat, das von außen hereinscheinende Licht machte es unmöglich, seine Gesichtszüge zu erkennen. Der korrekt gekleidete Mann war mittelgroß, sein Anzug eng geschnitten, er trug eine schmale Krawatte. Seine altmodische dünne Aktentasche hielt er nicht am Griff, sondern umfasste sie unten. Er hatte abstehende Ohren, die im Durchlicht rötlich leuchteten.

    Der zu große Kopf eines Menschen schob sich langsam aus dem linken Seitenfenster. Eine gerade, ebene Staubpiste reichte bis zum Horizont, rechts und links davon Steppe. Dann gelangten die Schultern und der Oberkörper ins Freie. Der Mann – es musste ein Mann sein – mit dem schwarzen Helm richtete sich erst auf, als er schon fast bis zu den Hüften aus dem fahrenden schwarzen Sportwagen mit den vor Staub völlig undurchsichtigen Scheiben heraus war. Er hielt sich am Dach oder an einem Griff oberhalb des Seitenfensters im Wageninneren fest, es war nicht zu erkennen. Für einen Augenblick wirkte es so, als stehe er auf dem Sitz, mit nach hinten gestrecktem Becken und vorgebeugtem Oberkörper. Direkt über ihm erschien jetzt eine fahle Sonne in der Windschutzscheibe des hinterherfahrenden Wagens, der Kameramann konnte nur durch die Scheibe hindurch aufnehmen, hätte er die Kamera aus dem Wagenfenster gehalten oder auf dem Dach installiert, das Objektiv wäre sofort verschmutzt gewesen.
    Bevor der Mann das Dach des Sportwagens erklomm, lagerte sein Gewicht für einen Moment prekär zu gleichen Teilen auf seinen Füßen und auf seinen Händen. Der Rahmen des Seitenfensters bot den Füßen einen unzuverlässigen Halt, das glatte Dach den vorgestreckten Händen keinen Angriffspunkt. Der Werbefilm in dem Autohaus war keine Animation, sondern zeigte einen echten Stunt. Der Film lief auch nicht schneller ab. Wäre der Wagen in Wirklichkeit ganz langsam gefahren und hätte sich der Mann entsprechend verzögert bewegt, dann hätte der Wagen nicht so viel Staub aufgewirbelt. Auch nicht, wenn man etwa am Fahrzeugboden Bürsten befestigt hätte, die man von oben nicht sah.
    Nachdem er geraume Zeit auf dem Wagendach gekauert hatte, richtete sich der Mann allmählich auf. Stetig lehnte er den Oberkörper weiter nach vorn, als die Beine fast gestreckt waren, befand er sich in der Waagerechten. Äußerst zögerlich nahm er den Oberkörper zurück und verharrte schließlich in leicht vorgebeugter Haltung, die Arme äquilibrierend nach der Seite und nach vorn gestreckt. Aufrecht auf dem Dach des fahrenden Autos zu stehen schien das Allerschwierigste zu sein. Wie kam es nur, dass die Anmutung dieser vollkommenen Körperbeherrschung eine der absoluten Hilflosigkeit war?
    Nur als Kind interessierten mich Autos. Peter hatte mir von seiner Absicht erzählt, ein Cabrio zu kaufen, und mich gebeten, ihn zu begleiten. Er hatte nicht erwähnt, dass Burgi und Sondra auf ihn warteten. Burgi hatte sich niedlich gemacht. Allein, ihre Künste bewirkten nichts mehr. Ich wurde Zeuge ihrer Niederlage, die sich in Japan angebahnt hatte.

    Nachdem Burgi in dem fensterlosen Raum bei D’Wolf Japan lange in die Betrachtung des Olympus Mons versunken gewesen war, hatte sie sich widerwillig und zögernd zu der Etage zurückbegeben, auf der sie mit dem älteren Japaner verabredet gewesen war. Kommentarlos ließ sie ihn wissen, sie werde den Text unterschreiben wie von ihr verlangt. Er dankte ihr, jetzt unerregt. Burgi verließ den Raum, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Am Empfangstresen der Etage klappte Sondra gerade ihr Telefon zusammen – kaum dass Burgi dem Japaner den Rücken zugedreht hatte, rief er sofort Sondra an. Burgi wollte an Sondra vorbei zum Lift gehen, aber die stieß sich vom Tresen ab und versperrte Burgi den Weg.
    Der Satz, den Sondra zu Burgi sagte, hob sich überdeutlich von der japanischen Geräuschkulisse ab, die mein Büro
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher