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Der Tuerke - Das Original

Der Tuerke - Das Original

Titel: Der Tuerke - Das Original
Autoren: Ihsan Acar
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sind keine Seltenheit, was sich natürlich auf das Gemüt der Leute niederschlägt. Man versucht Gespräche mit den Leidensgenossen anzufangen, die sich jedoch in erbarmungsloser Kritik am Konsulat und an seinen Beamten erschöpfen.
    Nach circa zwei Stunden ist Murat an der Reihe.
    Die Beamtin:
»Der Nächste!«
    Murat (hält seine Hände gefaltet vor dem Körper und geht leicht gebeugt und devot wirkend in den Raum):
»Guten Tag!«
    Die Beamtin sagt nichts, zeigt nur einen typisch türkischen Gesichtsausdruck, indem sie mit ihrem rechten Auge blinzelt und dabei den Mund ein wenig verzieht. Damit fragt sie implizit, warum Murat gekommen ist.
    Murat (versteht das Mienenspiel der Beamtin nicht und fragt ganz verlegen):
»Wie bitte?«
    Die Beamtin (genervt):
»Was soll gemacht werden?«
    Murat (nervös):
»Ich würde gern meinen Wehrdienst verschieben.«
    Die Beamtin:
»Hast du alles dabei?«
    Murat (legt alle Dokumente auf den Tisch):
»Ja, hier ist alles.«
    Die Beamtin:
»Die Passbilder fehlen! Sechs Stück.«
    Murat:
»Aber die hatte ich doch letztes Mal schon mitgebracht.«
    Die Beamtin:
»Ach, du bist wegen deinem Wehrdienst schon mal hier gewesen?«
    Murat:
»Ja.«
    Die Beamtin (verdreht die Augen):
»Warum sagst du das nicht gleich?«
    Die nächsten Schritte sehen bei fast allen Konsulatsangelegenheiten gleich aus. Die Beamtin händigt dem Deutschländer eine Rechnung aus. Mit dieser rennt er hinunter zur Kasse im Erdgeschoss. Er bezahlt und kommt mit der Quittung wieder ins dritte Obergeschoss, wo ihm seine fast vollständig ausgefüllten Papiere ausgehändigt werden. Damit läuft er wieder ins Erdgeschoss. Dort befindet sich nämlich auch das Büro des Vizekonsuls. Dieser Herr macht den ganzen lieben langen Tag nichts anderes als zu unterschreiben.Alle Papiere, die das Konsulat herausgibt, müssen vom Vizekonsul signiert und gestempelt werden. Dem Vizekonsul gegenüber verhalten sich alle extrem unterwürfig. Der Oberkörper wird noch weiter nach vorne gebeugt als in den anderen Abteilungen. Man lächelt, und sei es noch so künstlich, und heischt um Sympathie. Natürlich wissen alle, dass der Vizekonsul unterschreiben wird. Doch es ist eine türkische Tradition, Beamte in Führungspositionen wie einen König zu ehren.
    Die unterschriebenen Papiere bringt Murat wieder zurück ins dritte Obergeschoss, um das Prozedere endlich zu vollenden.
    Bei jedem Besuch im Konsulat schwört sich Murat, die türkische Staatsbürgerschaft aufzugeben und Deutscher zu werden, um sich nie wieder diesen umständlichen Verfahren unterziehen zu müssen. Aus taktischen Gründen muss er aber noch zwei, drei Jahre warten. Denn erst im Alter von 24, 25 Jahren kommt er für das deutsche Militär nicht mehr in Frage. Außerdem sind 255 Euro für die Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft sowie die Aussicht auf ein monate- bzw. jahrelanges Hin und Her zwischen deutschen und türkischen Behörden gute Gründe, das Vorhaben erst noch einmal zu verschieben.
    Daneben gibt es aber noch einen ganz anderen Grund, der Murat und vielen anderen Türken vermutlich gar nicht bewusst ist: Das Konsulat ist ein Stück Heimat. Das Konsulat ist die Türkei. Dort trifft man auf original türkische Beamte. Auch die Abläufe sind identisch. Wer die Augen schließt und auf das Geschrei und die Streitereien sowie den Befehlston der Beamten hört, hat das Gefühl, in der Heimat zu sein.

Das Missverständnis
    Cüneyt kam 2003 2 3-jährig aus der westtürkischen Stadt Bursa. Er studierte dort Maschinenbau. Auch er wollte mit einem zusätzlichen deutschen Diplom einen guten Job in der Türkei finden.
    In den ersten Monaten seines Deutschland-Abenteuers wohnte er mit den beiden türkischen Studenten Özcan und Ümit in einer WG. Die beiden lebten schon seit ein paar Jahren in Deutschland, hatten ihre Sprachkurse und -prüfungen hinter sich und befanden sich bereits im regulären Studium. Das Erste, was Ümit seinem neuen Mitbewohner klarmachte, war:
    »Cüneyt, allein die Tatsache, dass du in Deutschland lebst, reicht nicht aus, um Deutsch zu lernen. Ich habe schon viele Türken erlebt, die nach Deutschland gekommen sind und nach einigen Monaten ernsthaft meinten, dass sie ihre Deutschkenntnisse erweitert hätten. Du musst einen Sprachkurs besuchen und vor allem auch in deiner Freizeit deutsch sprechen – deshalb solltest du möglichst wenig mit Türken rumhängen. Je mehr du das beherzigst, desto eher hast du deine Sprachprüfung hinter dir und kannst mit
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