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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman
Autoren: Insel Verlag
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Traumkicker auf dem Platz bot. War der Ball nicht in seiner Nähe, stand er herum wie bestellt und nicht abgeholt: Er wusste nicht, wie er stehen, wo er seine Hände hintun, wohin er in seinem Trab eines erschrockenen Esels laufen sollte. Den dritten Ball bekam er drei Minutenvor Schluss. Bei einem Einwurf schrie der Indio Maravolí ihn an, er solle herkommen, und warf ihm den Ball direkt auf den Kopf. Der Traumkicker ließ ihn dort landen, als wäre seine Schädeldecke mit einem Kissen gepolstert, und wandte sich zum Tor. Nur wenige seiner Mitspieler schafften es in seine Nähe, ehe ihm der linke Außenstürmer der anderen den Ball mit den Händen abnahm. Während der Freistoß vorbereitet wurde, lief der Traumkicker an die Außenlinie und sagte zum Trainer, er fühle sich mit dem fremden Ball nicht wohl, ob man ihn nicht gegen seinen tauschen könne? Agapito Sánchez schickte jemanden mit einem vier Zoll langen Nagel zu Tarzán Tirado und befahl ihm, den Ball platt zu machen, sobald er zu ihm käme. Er gehörte sowieso den Staubfressern.
    Es fehlte eine Minute bis zum Abpfiff (dazu geschätzte zwei, drei Minuten Nachspielzeit), als der Ball bei einem Konter über die rechte Sturmspitze zu Tarzán Tirado kam. Da es ein halbhoher Schuss war, fing er ihn mit beiden Händen »in einem gerontophoben Hechtsprung, liebe Hörerinnen und Hörer«. Im Fallen und während er sich mit dem Ball vor dem Bauch theatralisch am Boden wälzte, trieb er ihm den Stahlnagel ins Ventil. Dann stand er auf, rief den Schiedsrichter und hielt ihm mit seiner schönsten Unschuldsmiene den Ball hin:
    »Verzeihung, aber da ist die Luft raus!«
    Als der Unparteiische nach einem neuen Ball winkte, warfen wir ihm auf der Stelle den von Expedito González zu.
    Mit dem Ball in einer Hand forderte unser Torwartseine Mannschaft auf, sich nach vorn zu schaffen, prellte den Ball vorschriftsgemäß dreimal auf, hatte die Strafraumgrenze erreicht, ließ einen Tarzanschrei hören und drosch das Leder in hohem Bogen nach vorn. Alle auf dem Platz sahen mit großen Augen, wie der Ball vor dem strahlenden Blau des Himmels, einer weißen Taube gleich und vom Wind getragen, in einem perfekten Bogen das Feld überflog und sich genau dort absenkte, wo Expedito González stand. Wie die Taube des Heiligen Geistes, sollte Bruder Zacarías Ángel später sagen, fuhr der Ball langsam, wie in Zeitlupe, herab, als suchte er den Leib unseres Traumkickers, der ihm am anderen Ende des Spielfelds, zwei Meter vor dem gegnerischen Strafraum mit geradezu spiritueller Sanftheit ein Nest auf seiner Brust bot, »katatonisch, wie dieser schwarze Koprolith den Ball mit der Brust annimmt!«, ihn dann mit dem Knie auf seinen Kopf kickte, sich umdrehte und ihn unter dem bewundernden Raunen des Publikums auf das Tor zutrug, im Kreis seiner Mannschaftskameraden, die ihn mit Ellbogenchecks und Tritten vor jedem beschützten, der ihn umreißen wollte. Und als er unter dem Geschrei der Massen, den Ball wie festgeschweißt auf dem Kopf, die Strafraumgrenze hinter sich und das Tor fest im Blick hatte, da brach Pata de Diablo durch den Sicherheitskordon, und mit über die Jahre aufgestautem Ingrimm verpasste er ihm genau am Elfmeterpunkt von hinten einen Tritt zwischen die Beine, dass wir uns alle vor Schmerz krümmten, einen fürchterlichen Tritt genau auf den gebrochenen Hoden. (»Hat sich angehört wie ein Tritt gegen einen Sack Gelatine«, erzählte Patade Diablo hinterher großkotzig in den Kneipen und Spelunken von María Elena.)
    Expedito González ging wie vom Blitz getroffen zu Boden (kein Satz, der es passender beschriebe). Zwar kam der Pfiff des Schiedsrichters sofort, und mit großem Trara zeigte er auf den Elfmeterpunkt, aber unsere Jungs fielen trotzdem geschlossen über den Tyrannosaurus her und wollten ihn das büßen lassen. Und es wurde im Rudel getreten, geboxt und gespuckt wie selten. Der Schiedsrichter versuchte gerade mit Hilfe seiner Linienrichter und dem versammelten Polizeibataillon dem Mordsrabatz Einhalt zu gebieten, als obendrein die Mitglieder des weiblichen Fanblocks unter Führung der verrückten Maluenda kratzend und mit ihren Puscheln schlagend aufs Feld liefen, aufgepeitscht und mit großem Tamtam und tosendem Applaus angefeuert vom heimischen Publikum.
    Unterdessen hatte Agapito Sánchez den Hilfsarzt aufs Feld gerufen, und zu zweit kümmerten sie sich um den Traumkicker, fragten ihn, wie er heiße, wo er sich befinde und wie alt er sei. Der lag auf dem
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