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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman
Autoren: Insel Verlag
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drückte vor seinen Blutgrätschen beide Augen zu.
    Gereizt bis aufs Blut, gelang es Crispeta Mundaca zwanzig Minuten vor Schluss bei einer Ecke für uns, Pata de Diablo glatt umzusäbeln, und wir dachten schon, der wäre erledigt. Man trug ihn vom Feld, um ihn draußen zu behandeln, und sein Trainer ging hin und fragte, ober ihn auswechseln sollte. Das Tier lehnte rundheraus ab. Nach wenigen Minuten war er zurück, raste schnaufend wie ein wilder Stier über den Platz und machte nieder, was sich bewegte und ihm zu nah kam.
    Als schon eine halbe Stunde der zweiten Halbzeit gespielt war (»und weder beim Spielverlauf noch auf der Anzeigetafel tut sich was, verehrte Patienten«), fingen die Leute plötzlich an, die Einwechslung unseres Traumkickers zu fordern. Erst waren es nur vereinzelte Rufe, doch dann skandierte die gesamte, sich am Spielfeld drängende Menschenmenge enthusiastisch seinen Namen.
    Expedito González kickte neben der Umkleide allein vor sich hin, litt noch an den Folgen seiner Sauferei und begriff nicht recht, was vorging. Er trug die Nummer Zwölf auf dem Rücken und vollführte mit seinem weißen Ball eine Art zirkusreifes Aufwärmtraining. »Was immer geschieht, du machst mit deinen Tricks weiter«, hatte Agapito Sánchez ihm eingeschärft.
    Unser Trainer hielt der Forderung des Publikums stand, so lange er konnte (hinterher erfuhren wir, dass sogar der Staubfresserblock Expedito spielen sehen wollte), doch dann ging er zu ihm und befahl ihm, sich bereitzumachen:
    »In zwei Minuten kommst du rein!«
    Expedito González sah ihn ungläubig an. Seine irren Augen bekamen einen Glanz, von dem wir nie erfahren sollten, ob es Vorfreude war oder Furcht.
    Die Leute schrien immer noch.
    Da, während der Traumkicker noch hypnotisiert wiein einen Abgrund auf den Platz starrte, tauchte die Rothaarige mit ihrem Köfferchen auf. Wortlos wies sie ihn an, sich auf den Boden zu setzen, und rieb ihm die Beine mit Salicylat-Salbe ein. Expedito González sah sie nur aus dankbaren Hundeaugen an. Wir mussten an diese unvergessliche Bibelszene denken (die wir in Technicolor und Cinemascope gesehen hatten), wo Maria Magdalena sich barmherzig hinkniet, um Christus die Füße zu waschen.
    Nach beendeter Massage tupfte sie ihm, unablässig ihr rosa Kaugummi wiederkäuend, den Schweiß vom Gesicht, rückte ihm das Stirnband zurecht und wünschte ihm viel Glück.
    Er drückte ihr seinen weißen Ball in die Hand.
    »Pass auf ihn auf«, sagte er.
    Dann wollte er vom Trainer wissen, auf welcher Position er spielen sollte.
    »Wäre Don Celestino Rojas hier«, antwortete Agapito Sánchez, »dann würde er sagen, dass Christus selbstverständlich als Neuner spielt.«
    Pata Pata, der neben ihm stand, fuhr ihn scharf an. Warum er diesen gottverdammten Fluch der Mannschaft erwähnte, das würde ja schon reichen, damit uns das Spiel in die Hose ging.
    »Oder sonst ein Unglück passiert!«, unkte er.
    Die Anweisungen an Expedito González waren klar: Er würde auf Tuny Robledos Position gehen, also die Neun sein; Tuny würde auf die Zehn wechseln und Choro Contreras dafür den Platz von Chiquitín einnehmen, der rausgehen sollte. Die Mannschaft wisse schon Bescheid, dass sie ihm den Ball bloß auf den Kopf spielen sollten. Sobald er ihn unter Kontrolle hätte, müsse er nichts weiter tun, als, ohne links und rechts zu schauen, zum gegnerischen Tor zu laufen.
    »Auf den Kopf damit und ab zum Tor!«, sagte der Trainer. Seine Mitspieler würden ihn irgendwie abschirmen, damit man ihn nicht von den Füßen holte.
    Als Expedito González aufs Feld kam (dreizehn Minuten vor Schluss), brach das Publikum in tosenden Jubel aus. Sichtlich bewegt hob er dankend und winkend die Arme und lief in seinem eigentümlich trippelnden Trott auf seine Position.
    Den ersten Abpraller, der ihn erreichte, versuchte er mit dem Fuß zu spielen, trat aber skandalös daneben. Tatsächlich fehlte ihm jede Koordination, jeder Sinn für Timing und Entfernung, um einem Ball entgegenzulaufen, im richtigen Moment dort zu sein und zu schießen. War ja eine Premiere für ihn. Der zweite Pass erreichte ihn neben dem Strafraum. Er tropfte an seinem Oberkörper ab, Expedito lupfte ihn mit dem Knie auf den Kopf und wandte sich zum Tor. Doch ehe die anderen einen Kreis um ihn bilden konnten, stieß ihn knapp vor der Strafraumgrenze einer der Außenverteidiger um, und der Schiedsrichter tat, als wäre nichts gewesen. Um ehrlich zu sein, war es ein Trauerspiel, was der
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