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Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie

Titel: Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie
Autoren: Shana Abé
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widersprach ihm. Das wagten sie nicht. Nicht hier und nicht jetzt. Aber wie es schien, wandte sich jedes Gesicht ihr zu, der jungen Frau, die an seiner Seite saß. Das in den Raum fallende Sonnenlicht war sehr hell.
    Sie stand auf. Ohne ihn zu berühren, ohne ihn anzusehen, ohne zu sprechen oder sonst jemandem im Raum zu antworten. Maricara schritt sorgfältig um den Tisch herum und zurück mitten unter die Leute. Ihre purpurnen Röcke schleiften hinter ihr her. Auf dem Marmorboden tönten ihre Schritte nur verhalten.
    Die Diener öffneten die Doppeltüren für sie, schlossen sie wieder, nachdem sie hindurchgeschritten war.
    »Ihr werdet Entschädigungen erhalten«, erklärte Prinz Alexandru noch einmal in die tiefe, hungrige Stille.

    Als sie jünger gewesen war und neu an diesem Ort, gab Maricara gern vor, einer der uralten Drákon zu sein, die diese Festung der Diamanten und der Macht errichtet hatten. Sie war mit ausgestreckten Armen die massiven quadratischen Steinplatten der Burg nachgeschritten - wobei sie vorgab, sie auch dann noch zu finden, wenn sie einen Teppich erreichte - und hatte sich selbst geheime Worte zugeflüstert: Hier legen wir die südwestlichen Steine nieder für unsere Hitze und unsere Sicherheit. Dorthin kommen die nördlichen Steine, um den schlimmsten Winden die Stirn zu bieten. Hierher kommen die mittleren Steine fürs Herz, für die Vervollständigung ...
    Und sie hatten auch Namen: Bogdan, Ilie, Lacrimioara, Rada. Denn alle Freunde brauchten Namen.
    Als er sie zum ersten Mal dabei erwischte, hatte Imre sie gefragt, was sie da treibe. Sie hatte es ihm erklärt, denn es gab für sie keinen Grund zu lügen - abgesehen davon bestand die Gefahr von bemerkenswert unerfreulichen Konsequenzen, wenn man Prinz Imre belog. Wenn er sie fürderhin beim Zählen sah, bedachte er sie nur mit dem für ihn typischen kleinen, herablassenden Lächeln. Steine stellten keine Bedrohung dar, was seine Herrschaft über sie anbetraf.
    Zumindest hatte er das geglaubt.
    Maricara kannte jeden Zoll dieser Burg. Sie wusste genau, wie viele Schritte nötig waren, um von den Türen des Versammlungssaals aus ihre privaten Gemächer zu erreichen, dann weiter zu dem Fenster, von dem aus man den Burghof und den Springbrunnen mit den Alabasterfischen sehen konnte.
    »Frühstück«, sagte sie zu dem jungen Diener, der ihr in das Zimmer gefolgt war, und nahm auf den Kissen Platz. Sie wartete, bis er verschwunden war, und schaute dann auf ihre Hände nieder.

    Sie zitterten nicht. Zumindest kaum, berichtigte sie sich selbst. Sie bebten kaum merklich.
    Maricara ballte sie im Schoß zu Fäusten.
    Schafe. Ferkel. Sie schloss die Augen und zwang den leisen, seltsamen Laut nieder, der sich ihrer Kehle entringen wollte.
    Als sei sie selbst nichts als ein Tier, wenig mehr als ein gemeines, reißendes Biest, das im Dunklen Kirchtürme verwüstete und quiekende Ferkel fraß …
    Sie atmete sehr langsam aus und musterte dann die Nägel ihrer zusammengepressten Finger, die weiß wurden, als sie sich darauf konzentrierte, sich an die Einzelheiten der letzten Nacht zu erinnern. An die Rüschen ihres Nachtgewandes. Die Hitze der roten Ziegelsteine. Den weichen Luxus der Laken an ihren nackten Händen und Füßen, das kühle Kissen unter ihrem Hals. Die Farben des Betthimmels im Schein des ersterbenden Kaminfeuers, polierte Bronze und Rost, die schokoladenfarbenen Schnüre, die ihn an den Pfosten hielten …
    Und danach - nichts. Sie war eingeschlafen. Heute Morgen war sie oben auf dem Turm erwacht.
    So wie in fast jeder Nacht während der letzten sechs Monate.
    Als sich die ersten Anzeichen der Gabe manifestierten, hatten ihre Eltern sich entsetzt gezeigt. Niemand wusste, wie rein die Blutlinien der Drákon noch durch die Adern des Bergvolks flossen. Alle waren heutzutage Abkömmlinge von gemischtem Blut, mit Ausnahme von Imre. Ihre Eltern vermochten sich nicht zu wandeln. Ihr Großvater jedoch hatte diese Gabe besessen, darüber hinaus vor vielen Jahren ein paar Großonkel. Aber eine Frau, die über solche Macht verfügte, ein weibliches Kind, das eines Abends den
Kohl zum Abendessen verweigerte und sich lieber in Rauch verwandelte, als einen Bissen zu nehmen …
    Das war seit Generationen nicht mehr vorgekommen. Die Gabe zeigte sich seltener und seltener, und keiner kannte den Grund.
    Maricara hatte sich als etwas ganz Besonderes gefühlt, sich so sehr gefreut, ohne jedoch wirklich zu begreifen, was die Gabe bedeutete. Von dieser Minute
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